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Tittifritti

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Österreicher, die noch nicht verkabelt sind, müssen allmäh- lieh auf das Leben danach vor- bereitet werden. Irgendwann wird auch in der Alpenrepu- blik derDammbrechenund sie wird vom Segen des Privat- Fernsehens überschwemmt werden.

Wir deutschen Pioniere ha- ben es schon und stehen des- halb mitten in der kulturpoliti- schen Diskussion. Es geht vor allem darum, wie die Fernseh- Erotik aussehen darf, wenn das ohnehin überalterte Jugend- schutzgesetz nach 23 Uhr die Moral freigibt.

Von Erotik kann man aller- dings bis jetzt bei uns noch nicht sprechen. Was nämlich einige Privatsender als Nacktpro- gramm ab 23 Uhr anbieten, ist entweder für die großen Augen kleiner Pennäler gedacht oder für traurige Erinnerungen ganz alter Lustmolche.

Der eine Teil des Nachtpro- gramms - speziell beim RTL - besteht aus läppischen Soßpor- nos aus Opas Bahnhofskino und schlüpfrigen Unterwäsche- komödien für verklemmte Schlüsselloch-Luger. Aber of- fenbar können damit noch vie- le aufklärungsbedürftige Spie- ßer befriedigt werden, die sich wenigstens daheim im stillen Kämmerlein heimlich hin- schauen trauen.

Zum eigenen Liebesleben wird man ungefähr ähnlich stark ermuntert wie von einem Bundesliga-Bericht zum akti- ven Fußballsport. Immerhin registriert der beim Glotzen erstarrte Fernseh-Konsument: Aha, wenn andere ihr Gwand wegschmeißen, wirds Zeit zum Bettgehn!

Selbstverständlich wollen aber die Privatsender nicht nur alte Nackedei-Klamotten und Freikörper-Kulturfilme brin- gen, sondern zeigen in einem zweiten Teil des Nacktpro- gramms, daß sie auch selbst reich an unverhüllten Ideen sind.

Darum erzählen sie gerne in einem Männermagazin die rührenden Kleidersorgen eines Nacktmodells. Oder sie erfin- den einen Quizvorwand, damit Kandidaten durch Ausziehen ihrer Textilien vor der Kamera ihre Tutti Frutti oder Titti Frit- ti zeigen können. Exhibitioni- sten hier- Voyeure dort, schon haben wir Fernsehen als Le- benshilfe für sexuell Gestörte.

Das einzig wirklich Komi- sche an dieser Art von Haus- frauen-Striptease für fade Sexmuffel ist die Tatsache, daß sich ausgerechnet jene Politi- ker über diese Schlummer- Erotik entrüsten, die zuvor immer behauptet hatten, die private Fernseh-Konkurrenz zwinge zu höherer Qualität und hebe das Niveau.

Wie vorauszusehen war, ist genau das Gegenteil der Fall: je tiefer das Niveau, je dummer der Quiz und je seichter das Geschwätz, desto höher sind die Einschaltquoten. Und die sind heute das Kriterium für Qualität.

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