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Totenschein

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Sie sind doch der diensthabende Amtsarzt, bin ich, das Dokument in der Hand, im Begriff zu sagen, ich versteh zwar nichts von der Feststellung der Todesursache und ihrer Verläßlichkeit, noch dazu, wenn keine Autopsie vorgenommen worden ist, aber da kann doch etwas nicht stimmen: entweder ist die Diagnose Ihres Herrn Kollegen, ich kann den Namenszug nicht lesen, nicht aufrechtzuerhalten oder die Ihre, oder wollen Sie mir erklären, wie denn Unklarheit darüber bestehen kann, ob ein-und dieselbe Person im Gebirge erfroren ist — die Einschränkung: „möglicherweise als Unfall getarnter Selbstmord“ laß ich mir noch einreden — oder ob sie, ich kann das jetzt nicht entziffern, jedenfalls eines üblichen Todes, ich hab das ja vorher gelesen, in einem Bett gestorben ist! Vermutlich hat Ihre Kanzleikraft zweierlei Todesurteile oder wie das heißt, des Totenbeschauarztes für zwei divergierende Gutachten über einen umstrittenen Todesfall gehalten und daher auf einen Namen ausgestellt!

Noch während ich das sage, entdecke ich in der Rubrik „Mögliche Todesursachen“, eine dritte, noch undeutlicher getippte Version, und will mich für die vorschnelle Beschwerde entschuldigen (wie konnte ich nur ein gebundenes Heft, vermutlich ein Totenjournal, für einen Totenschein halten!), aber da hat mir der Beamte das Dokument schon aus der Hand genommen, schaut es kurz an und wendet sich nach der Bemerkung: Ihr Paß läuft bald ab, lassen Sie ihn ehestens verlängern! einem anderen Reisenden zu.

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