6997199-1987_13_05.jpg
Digital In Arbeit

Transparenz der Planung

19451960198020002020

Entgegen allen Beteuerungen rangiert Österreich bei wichtigen Umweltschutzgesetzen nach internationalen Standards weit hinten. Zu groß sind die Mängel der Bürgerbeteiligung.

19451960198020002020

Entgegen allen Beteuerungen rangiert Österreich bei wichtigen Umweltschutzgesetzen nach internationalen Standards weit hinten. Zu groß sind die Mängel der Bürgerbeteiligung.

Werbung
Werbung
Werbung

Nach dem Schrecken von Hainburg war es plötzlich in aller Munde. Das Wortungeheuer „Umweltverträglichkeitsprüfung" (UVP). Die Hoffnungen, die an die UVP geknüpft werden, sind vielfältig. Die Umweltschützer erwarten sich davon eine bessere Möglichkeit, ihre Ideen durchzusetzen, die Behörden eine weitere Entscheidungsgrundlage und die Betreiber von umweltrelevanten Projekten mehr Planungssicherheit.

Ein mit derart vielen verschiedenen Erwartungen befrachtetes Gesetzeswerk sollte eigentlich Gegenstand eines intensiven öffentlichen Diskussionsprozesses sein. In letzter Zeit ist es aber wie-

der merkwürdig ruhig um die UVP geworden, obwohl ein Ge-setzesentw\u"f vorliegt.

Osterreich ist damit wieder einmal Schlußlicht im Reigen der Industrienationen. Die USA, seit Jänner 1970 im National Environmental Policy Act, die Europäische Gemeinschaft, die Weltbank, das United Nations Development Program, Frankreich, Holland, die Schweiz, die Philippinen, Japan, Australien und Kanada haben die UVP bereits eingeführt.

Die EG-Kommission begründet die Notwendigkeit der UVP wie folgt: „Mit geeigneten UVPen von Vorhalsen zum frühestmöglichen Planungsstadium sollen diese Erfordernisse erfüllt werden. Sie zielen darauf ab, durch Zusammenarbeit zwischen den Projektträgem, den Behörden und der Öffentlichkeit möglichst vollständige Angaben über die wichtigsten Auswirkungen eines Vorhabens auf die Umwelt vorzubereiten, den Umfang dieser Auswirkungen abzuschätzen, mögliche andere Lösungsvorschläge für das vorgeschlagene Vorhaben zu untersuchen und letztlich die zur Vermindenmg der nachteiligen Auswirkungen erforderlichen Maßnahmen vorzusehen."

Die Ziele einer UVP sind Prävention von ökologischen und ökonomischen Schäden, Transparenz der Planung, Partizipation der Beteiligten und eine ökologische Gesamtschau des Projekts durch interdisziplinäre Zusammenarbeit.

Als wesentliche Unterschiede der UVP zu herkömmlichen Genehmigungsverfahren werden das Einsetzen der UVP im frühesten Stadium der Planung, die Möglichkeit, Altemativlösungeri einzubeziehen, die Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit, die stärkere Berücksichtigung des Schutzes des öffentlichen Interesses am Umweltschutz und eine umfassende ökologische Sicht des Projektes gesehen.

Der österreichische Entwurf karm diesen hohen Ansprüchen nicht gerecht werden. Zum einen fehlen wichtige Elemente der UVP, wie Bürgerbeteiligung und Verfahrenskonzentration. Diese sollen nach dem Willen der Regierung in eigenen Gesetzen geregelt werden, wobei insbesondere die Bürgerbeteiligung sehr restriktiv geplant ist.

Bürgerbeteiligung soll es nur dann geben, wenn für das Projekt eine „Bewilligung" notwendig ist und in den entsprechenden Verwaltungsgesetzen als Voraussetzung für die Bewilligung ein Bürgerbeteiligungsverfahren ausdrücklich angeordnet wird. Parteistellung soll dabei nur eine

Gruppe von Personen haben, die im Bezirk, in dem das Projekt verwirklicht werden soll, oder in einem angrenzenden Bezirk in die Wählerevidenz eingetragen ist. Diese Gruppe soll zwischen fünf und zehn Prozent der Wahlberechtigten betragen. Wenn das Projekt nicht von einer „Bewilligung", sondern, wie etwa der Bau von Bundesstraßen, von einer Verordnung abhängig ist, ist keine Bürgerbeteiligung vorgesehen.

Damit ist gleich einer der wesentlichsten Kritikpunkte der UVP umrissen: Bürgerbeteiligung und UVP sind in ihrer Anwendbarkeit von der Novellierung der materiell-rechtlichen Vorschriften der umweltrelevanten Verwaltungsgesetze abhängig und könnten daher, auch wenn sie beschlossen werden würden, derzeit gar nicht vollzogen werden.

Zu den Kritikpunkten im einzelnen:

Durch die Umweltverträglich-

keitsprüf img sind die immittelbaren und mittelbaren Auswirkungen von öffentlichen und privaten Vorhaben auf

• Luft, Wasser, Boden, auf die Lebensbedingimgen der Menschen, Pflanzen und Tiere sowie auf deren Beziehimg zueinander,

• die Nutzung der Umwelt,

• die Pflege und Erhaltung der Landschaft,

• die Erhaltung und Pflege der kulturell wertvollen Bauten und Baudenkmäler zu begutachten (Paragraph 1 UVP-Gesetz).

Der UVP sind insbesondere Vorhaben aus folgenden Bereichen zu unterziehen: Die Errichtung von Kraftwerksanlagen, Bergbauanlagen’, Anlagen zur Abfallbehandlung, Tierkörperbeseitigung oder Altölverwertung, Bundesstraßen, Rohrleitungen, Flughäfen und Industrieanlagen (Paragraph 2).

Damit bleibt das österreichische UVP-Gesetz weit hinter den EG-Richtlinien für eine UVP zurück. Für diese steht der Mensch als schutzwürdiges Wesen vor allen anderen, der Hauptbelastungsfaktor für den Menschen -

der Lärm - kommt in der österreichischen UVP gar nicht vor. Die EG führt an die 100 Vorhaben an, die einer UVP zu unterwerfen sind.

Der Anwendungsbereich der UVP bleibt auf jene Angelegenheiten beschränkt, die in die Vollziehung des Bundes fallen. Dadurch werden Belange der Flächenwidmung, des Baurechts, des Natur- und Landschaftsschutzes in der UVP nicht berücksichtigt und eine ökologische Gesamtsicht verhindert. Das Verfahren setzt so spät ein, daß ein Einfluß auf den Standort des Projekts nicht mehr möglich ist.

Im Gegensatz zur Schweiz und Frankreich werden die Umweltschutzverbände im Bürgerbeteiligungsverfahren keine Parteienstellung und damit auch keine Möglichkeit, Beschwerden beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen, haben. In der UVP sollen nur subjektive Interessen am

Umweltschutz gewahrt werden. Eine darüber hinausgehende Wahrung öffentlicher Umweltinteressen, etwa durch eine Umweltanwaltschaft, ist nicht vorgesehen.

Genausowenig ist beabsichtigt, daß die Behörde je nach den Besonderheiten des Einzelfalls vom Projektbetreiber Angaben zum Projekt verlangen kann, die über das gesetzliche Mindestmaß zur Durchführung einer UVP hinausgehen.

Weiters sollte der Öffentlichkeit Gelegenheit gegeben werden, zu dem Umweltverträglichkeitsgutachten vor der Entscheidung der Verwaltungsbehörden in angemessener Zeit Stellung zu beziehen. Das ist derzeit nicht vorgesehen.

Die jetzt vorliegenden Entwürfe einer Bürgerbeteiligung und UVP werden wohl nicht in der Lage sein, die Planung umweltrelevanter Projekte umweltschonender und bürgernäher zu gestalten. Zu groß sind die Mängel, zu halbherzig ist die Einbindung des Bürgers in die Entscheidung ausgefallen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung