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Trophäen der Weitgereisten

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Da steht er, genauge-X-S (A* nommen steht er herum. Noch genauer: Er steht im Weg. Er, das ist ein Aschenbecher und im Grunde nicht der Rede wert. Aber dieser ist gute 65 Zentimeter hoch, eine armstarke geschnitzte Holzsäule auf einem stabilen Fuß und oben-drin ein Glaseinsatz von ganz bescheidenem Durchmesser, ein Dutzend-„Volks-kunst“-Werk. Ein Mitbringsel von Tante Poldi aus Jugoslawien.

Der alten Tante schon seinerzeit die Freude zu verderben, wäre unhöflich gewesen. Oft hat ja vor dem Beschenkten der Schenker Freude am Schenken.

Aber in den Jahren seither? Zuerst wurde der Gedanke, das Ungetüm wegzuwerfen, verworfen. Das tut man nicht mit einem Geschenk. Und weiterschenken? Wem das antun? Und überhaupt: Tante Poldi

Besuch. Ob sie sich noch erinnert? Was, wenn sie nicht mehr sehen könnte, was unübersehbar ist? Um der peinlichen Frage auszuweichen, steht er herum. Noch immer.

Mit Erinnerungsstücken ist das so eine Sache. Man kommt von Zeit zu Zeit auf bekommt sie. Oder man sammelt sie — wie ehedem Indianer Skalps. Trophäen der Weitgereisten. So unterschiedlich wie Geschmäcker, über die man streiten kann, sind auch die Sammlermotive. Eine Erinnerung für sich? Oder ein Schau-Spiel für Besucher? Fast in jedem Fall ein Staubfang für die Hausfrau.

Und trotzdem möchte ich den Christus-Korpus, aus rohem Lindenholz geschnitzt, in meiner Stube nicht missen. Das ist mehr als nur eine Erinnerung ans Grödnertal. Aber auch nicht das einzige Erinnerungsstück, an dem das Herz hängt.

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