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TV-„Manie“ in Györ

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In Westungam kann man die Sendungen des österreichischen Fernsehens ebenso gut empfangen wie die ungarischen. Die Zuseher wissen das wohl, aber nicht nur sie, sondern auch die Behörden und die Zeitungen. Die Parteiblätter, darunter der „Fejer Megyei Hdrlap“ von Szėkesfehėrvar sind darüber ebenfalls recht gut informiert und veröffentlichen, um ihren Lesern Freude zu bereiten, wöchentlich und regelmäßig das Programm des rotweiß-roten Fernsehens.

Mit der Zeit steigerte sich allerdings das Publikumsinteresse derart, daß die kulturell und ideologisch moskautreuen Parteiinstanzen aufmerksam wurden und sich zum geistigen Dammbau gegen die Wirkungen nachbarlichen Fernsehens veranlaßt sahen. Es gab Zwischenfälle, die es verdienen, erwähnt zu werden. Die Parteizeitung „Veszprėm Megyei Naplö“ eröffnete einen Kulturfeldzug gegen die „bourgeoise Fernsehmanie“ und nahm vorerst eine Handwerkergenossenschaft in Györ aufs Korn, die es gewagt hatte, auf einem neuen Wohnhäuserblock eine Zentralantenne zu montieren, mit der man (außer natürlich dem TV-Kanal I von Budapest) erstklassig die österreichischen Kanäle FS 1 und FS 2 empfangen kann. Das Blatt stellte entrüstet fest, daß die besagte Genossenschaft jene Zentralantenne durchaus auch zum Empfang des Budapester Kanals II. hätte einrichten können, doch sei dies unterblieben, weil die Mehrzahl der neugierigen Handwerker nur auf

ORF-Sendungen erpicht sei! Die empörten Behörden bemühten sich daraufhin, festzustellen, wer die Hauptverantwortung für derlei westlich infizierte Antennenbauten trage, die geschäftstüchtige Handwerkergenossenschaft oder die Wohnungsmieter, aber alle Nachforschungen verliefen bisher im Sand.

„Veszprėm Megyei Naplö“ ließ jedoch — um das Parteiwohl besorgt — nicht locker und stellte die Frage, wie es denn überhaupt möglich sei, daß im Komitat Veszprėm eine profithungrige Handwerkerkooperation aus einem anderen Komitat ihr Unwesen treibe und politisch indifferenten Zuschauern ermögliche, „TV-Programme aus einem westlichen Land ansehen zu können, die keinerlei ungarische Ideen oder Prinzipien propagierten“. Die Antwort gab das Blatt sozusagen im selben Atemzug. Dergleichen sei nur deshalb möglich, weil zwischen den Genossenschaften ein harter Konkurrenzkampf tobe und die Handwerkergenossenschaft von Györ in diesem Kampf die staatliche Genossenschaft „Gelka“ besiegt habe. Und dies, obgleich diese um 15 Prozent billiger offeriert habe als die private Genossenschaft. Das Publikum wolle taber offenbar keine billigen TV-An- tennen, sondern solche, mit denen man die österreichischen Sendungen störungsfrei sehen und hören könne. Die staatseifgene „Gelka“ baue jedoch nur TV-Antennen für den Empfang von ungarischen, ideologisch zimmerreinen Programmen.

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