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Uber Harakiri

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Selten hat der Rezensent eine eindringlichere und schlüssigere Untersuchung über die Traditionen und Tabus der Selbsttötung gelesen als das vorliegende.

In einem höchst bemerkenswerten, von klaren ethnologischen wie soziologischen Überlegungen getragenen Kulturvergleich zwischen christlichabendländischen und japanischen Auffassungen über den Suizid kommt der 1991 verstorbene französische Philologe Maurice Pinguet zu überraschenden und brisanten Ergebnissen. Pinguet bezieht dabei eindeutig Stellung für die Freiheit des Menschen jenseits des Naturrechtsdenkens, das sich schon bei Plato entfaltet und dann in das Christentum Eingang gefunden hat.

Die seit dem 12. Jahrhundert gepflegten Rituale des seppuku der bushi und samurai muten allerdings aus ethnozentristischer Sicht barbarisch an, sind jedoch autochthone Ausdrucksformen japanischen Diesseitsglaubens, dessen Pendant im europäischen Nihilismus zu suchen ist.

1970 beging der große japanische Schriftsteller Yukio Mishima aus Protest gegen die Verwestlichung seines Landes Harakiri. Ihm widmet der Autor sein letztes, sehr berührendes Kapitel. Die dem französischen Strukturalismus angenäherte Kulturstudie wird Bestand haben, so kontrovers das Echo darauf auch bleiben wird. Maurice Pinguets tabubrechendes Werk legt es nun einmal darauf an, keine Lektüre für jedermann zu sein.

DER FREITOD IN JAPAN. Ein Kulturvergleich. Von Maurice Pinguet. Aus dem Französischen von Beate von derOsten, Makoto Ozaki und Walter Fekl. Mathias Gatza Verlag, Berlin 1991. 379 Seiten, 6 Abbildungen, öS 388,40.

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