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Unabhängigkeit mit vielen Fragezeichen

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Afrikareisende nennen Djibouti einen „unmöglichen Ort“. Wer in diesen wüstenhaften, unerträglich heißen Winkel Ostafrikas kommt, fragt sich, was die Franzosen hier 115 Jahre lang festgehalten hat. Weit und breit sieht man trostloses Land aus Staub und Steinen.

In Djibouti, dem bisherigen „Französischen Territorium der Afar und Issas“, profitierte Frankreich von der Erbfeindschaft der beiden Nachbarn, Äthiopien und Somalia. Ein französischer Rückzug, so argumentierten die Franzosen, würde einen Erbkrieg zwischen Äthiopiern und Somaliern augio sen. Die Franzosen nannten Djibouti nicht „Kolonie“, sondern „Ubersee- ‘territorium“; sie hatten sich in dieser Wüstenei am Osthorn Afrikas festgesetzt, nachdem ihre Hauptkonkurrenten im Streben nach-kolonialer Vorherrschaft, die Briten in Aden, französische Schiffe abgewiesen hatten. Was Aden für Großbritannien war, wurde Djibouti für Frankreich: ein Flottenstützpunkt und Petroleumhafen an der Suezroute zwischen dem Roten Meer und dem Indischen Ozean.

Dieser Hafen ist der einzige wirtschaftliche Aktivposten der neuen Republik Djibouti. Von hier aus führt eine von den Franzosen gebaute Eisenbahn hinauf in die äthiopische Hauptstadt Addis Abeba. Über Djibouti wickelt Äthiopien den größten Teil seines Außenhandels ab. Schon für das äthiopische Kaiserreich war Djibouti von lebenswichtiger Bedeutung. Heute ist die Volksrepublik Äthiopien um so mehr auf Djibouti angewiesen, als Massawa, Äthiopiens nördlicher Zugang zum Roten Meer, weitgehend von Eritrea-Rebellen kontrolliert wird.

„Territorium der Afar und Issas“ wurde Französisch-Somaliland erst seit der /Volksabstimmung von 1967 genannt’ Die Afar - das sind in der %ehrzänf mohammedanische Hirten- nomaden aus der äthiopischen Dana- kilwüste. Sie betrachten sich aber nicht als Äthiopier, sondern haben - wie viele Eriträer - zu den koptischen Amharen Äthiopiens ein feindseliges Verhältnis. Die Issas indes sind ein somalischer Volksstamm, ethnisch den Afar verwandt, doch mit starken Bindungen zum Mutterland, der Somalischen Demokratischen Republik.

In Französisch-Somaliland sind die Issas gegenüber den Afar in der Mehrheit. Allerdings waren die Afar im politischen Leben und in der Verwaltung Djiboutis stärker repräsentiert. Sie möchten nicht Teil eines Groß-Soma- lia werden und lieber als Selbständigkeit oder äthiopische Vorherrschaft, so schien es, war ihnen die französische Schutzherrschaft einschließlich ihrer materiellen Vorteile. Die Issas waren in der Unabhängigkeitsfrage gespaltener; nicht alle sind von einem Anschluß an das bitterarme Mutter land begeistert, aber schon gar nicht möchten sie unter äthiopische Herrschaft geraten.

Im April 1977 wurden Afar und Issas erneut zu einer Volksabstimmung aufgerufen. Sowohl Frankreich als auch alle Parteien hatten empfohlen, für die Unabhängigkeit zu stimmen. Diesmal fiel das Referendum mit großer Mehrheit für die „Republik Djibouti“ aus. Sie wurde am 27. Juni als 49. afrikanischer Staat proklamiert.

Damit endete das letzte Kapitel französischer Kolonialgeschichte in Afrika. Fü r Paris war das „Territorium der Afar und Issas“ mehr denn je zu einer Zuschußkolonie geworden. Hier am Roten Meer verdienten französische Soldaten und Beamte dreimal mehr als in Frankreich.

Djibouti war so wenig wie Aden eine Musterkolonie. Das Festhalten der Franzosen an Djibouti schadete dem Ruf Frankreichs in Afrika und in der arabischen Welt. Nicht’zuletzt die Terrorakte der von Somalia unterstützten „Front für die Befreiung somalischen Küstenlandes“ haben Paris veranlaßt, die Trikolore in Djibouti einzuholen. Unter Aufsicht der Vereinten Nationen wurden im Mai dieses Jahres Wahlen für das Parlament der „Republik Djibouti“ abgehalten. Von den 65 Sitzen fielen 33 an Issas, 30 an die Afar und 2 Sitze an Araber. Zum Regierungschef der neuen Republik wurde der 61jährige Issa-Politiker Hadschi Hassan Gouled Aptidon gewählt.

Wie vielen Ministaaten, fehlt auch Djibouti zur Selbständigkeit die wirtschaftliche Grundlage. Frankreich hat Wirtschaftshilfe für den jungen Staat in Aussicht gestellt. Französisches Militär wird noch für einige Zeit in Djibouti stationiert bleiben. Seit der Wiedereröffnung des Suezkanals. hat sich die strategische Bedeutung Djiboutis, •sein Wert als BunkerstatioH und Kon- • trollposten, erhöht. Nicht nur sowjetisches Interesse an Djibouti, vor allem die alte Rivalität zwischen Somalia und Äthiopien läßt befürchten, daß die Unabhängigkeit Djiboutis nicht lange währen wird. Zwar haben Äthiopien und Somalia im vergangenen Jahr formell ihre Ansprüche auf Djibouti aufgegeben, doch halten sie im Grenzgebiet ihre Streitkräfte in Bereitschaft.

Der Erbstreit um Djibouti wird weitergehen, auch dann, wenn eine Föderation zwischen Djibouti und Somalia Zustandekommen sollte. Der Konflikt zwischen den Volksgruppen der Afar und Issas wird weiterschwelen, und schließlich wird es der parlamentarischen Demokratie in der Republik Djibouti nicht anders ergehen als auf den Komoren und den Seychellen, wo die Staatsstreiche nicht lange auf sich warten ließen.

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