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Urlaub am Bauernhof

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Wohnen Sie in Wien am Gürtel, in Innsbruck am Südring oder sonst einem verkehrsumtobten Plätzchen? Sie haben sich Ihren Urlaub verdient!

Als besonders guter Österreicher verbringen Sie ihn sogar im Lande. Irgendwer muß ja irgendwo zu sparen beginnen - also der kleine Mann bei den Devisen. Sie entscheiden sich für einen Urlaub am Bauernhof.

Das Zimmer ist reizend, die blaukarierte Tuchent suggeriert Tiefschlaf. In der Küche der Bäuerin regiert Meister Proper und nach der ersten Malzeit dehnt sich Ihre Taille in runder Vorfreude auf die nächsten zwei Wochen.

Am Abend kreisen Mostkrug und Stechbremsen, der Sohn vom Hof übt auf der Baßtuba. Die Nachfkastllam-pe teilen Sie mit einer Falterfamilie von Ausmaß und Beharrlichkeit eines sizilianischen Mafiaclans. Der Gescheitere gibt nach, Sie löschen das Licht und geben sich dem Schönheitsschlaf hin.

Mit den winzigen Gelsen haben Sie nicht gerechnet. Es wird ein Kampf auf Biß und Schlag, in dem Sie allnächtlich unterliegen. Den stillen Mond, der über dem Waldsaum erscheint, findet der Hofhund zum Heulen und ein paar Katzen begleiten ihn mit herzzerreißendem Miauen. Ihren kurzen, unruhigen Schlaf beenden die Morgengeräusche am erwachenden Hof:

Die Schweine quieken erbärmlich schrill beim Streit um das Futter, die Hühner in den Legebatterien begak-kern ihr trauriges Los. Im Kuhstall surren die Zentrifugen und klappern die Blechkannen, unter Ihrem Fenster beginnt die Betonmischmaschine zu rotieren: ein neuer Maschinenschuppen wird gebaut.

Ihr fröhliches Summen „Ich hört ein Sichelein rauschen, wohl rauschen durch das Korn" übertönt bald das Rattern des Mähdreschers und Sie werden dazuschauen, sich vor den Wolken gelben Strohmehls aus dem Staub zu machen.

Zwei Wochen lang genießen Sie alle Feinheiten ländlicher Idylle, dann fahren Sie heim in Ihre Wohnung am Gürtel, am Südring oder sonstwo.

Dort wird dann Ihre Sehnsucht von Monat zu Monat wachsen. Sie werden von blaukarierten Betten träumen, von G'selchtem vom Schwein und dem sonntäglichen Backhuhn. Der Mond über der Urania wird Sie an eine kleine Nachtmusik erinnern und mit den Weihnachtsgrüßen an Ihre Bäuerin werden Sie gleich um Reservierung für den nächsten Sommer bitten.

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