Kriegsverbrechen pflegen nur an den Unterlegenen gerächt zu werden. Über ähnliche Delikte, auf der Seite der Sieger geschehen, bemüht man sich gerne, den Mantel des Schweigens zu breiten.
Eine Tragödie, die der Autor -schon rein quantitativ durchaus zu Recht - mit der Vernichtung der Juden durch das deutsche NS-Regime vergleicht, war der Leidensweg jener zwei Millionen Osteuropäer, die im Zweiten Weltkrieg auf Seiten der Deutschen gegen Stalinismus und kommunistische Zwangsherrschaft gekämpft hatten, oder die auch nur als Kriegsgefangene, als Ostarbeiter, nicht dem Befehl zum Durchhalten auch bis zum eigenen Tod entsprochen hatten. Nachzulesen auch bei Solscheni-zyn.
Ein besonderes Kapitel in diesem Bereich war die Auslieferung der Kosaken und russisch-stämmigen Hilfstruppen der Deutschen Wehrmacht durch die Engländer in Kärnten an die Sowjets, ihre Auslieferung im vollen Bewußtsein, was ihnen bevorstünde - die Ausheferurig von Menschen unter ihnen, die nach dem Bürgerkrieg 1918/20 in Serbien hängen geblieben waren und nie der Sowjetmacht unterstanden hatten.
Nikolay Tolstoy, britischer Historiker russischer Abstammung, ist dieser Episode der Kriegsgeschichte nachgegangen, bemüht, den Mantel des Schweigens wegzuziehen, die zum Teil nach wie vor in Amt und Würden tätigen Mitschuldigen aufzuspüren - bis hinauf zum damaligen Außenminister Antony Eden.
Nicht nur die Deutschen tun sich schwer, die Vergangenheit zu bewältigen. Als Sieger hat man noch viel weniger Lust dazu...
DIE VERRATENEN VON JAL-TA. Englands Schuld vor der Geschichte. Von Nikolay Tolstoy, Langen-Müller-V'erlag München 1978. 680 Seiten, öS 314,40.
