Reinhard Karnitz, der am 18. Juni 1982 sein 75. Lebensjahr vollenden wird, hat der österreichischen Wirtschaftspolitik der unmittelbaren Nachkriegszeit seinen Stempel aufgedrückt: Als Mitarbeiter des damaligen Bundeskammerpräsidenten, Julius Raab, als Leiter der Wirtschaftspolitischen Abteilung, dann als Finanzminister in mehreren Regierungen Figl und Raab von 1952 bis 1960 und schließlich als Präsident der Oesterreichischen Nationalbank von 1960 bis 1968.
Was die heutige Faszination des seither legendären Raab-Kamitz-Kurses ausmachte, sind dessen sehr einfache und einleuchtende Grundgedanken. Es waren die bisher nachhaltigsten Bemühungen, der Politik der ÖVP die Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft zugrunde zu legen.
Der damalige ordnungspolitische Kurswechsel nahm einen lehrbuchmäßigen Verlauf und war erfolgreich. Der Beseitigung des Budgetdefizits folgte mit dem Nationalbankgesetz 1955 die Wiederherstellung des Verbots der öffentlichen Hand, sich der Geldschöpfung der Notenbank zu bedienen. Die bis dahin üblichen Lohn- und Preisabkommen wurden durch eine konsequente Stabilisierungspolitik abgelöst.
Die Wirkungen traten unverzüglich ein: Während die Lebenshaltungskosten der Jahre 1948 bis 1952 im Jahresdurchschnitt zwischen 13 und 52 Prozent anstiegen, brachte schon das Jahr 1953 einen Rückgang um 5,4 Prozent und seither jährliche Steigerungssätze, die bis 1972 im Durchschnitt nicht viel mehr als 3 Prozent betrugen.
Der für die weitere Entwicklung so entscheidenden Funktionsfähigkeit des Marktes dienten die Aufhebung der Preiskontrollen, der Rohstofflenkung und der Lebensmittelbewirtschaftung im Inland sowie der zügige Abbau der mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen, die Senkung der Zölle und der Abbau der Devisenbewirtschaftung.
Sein viel zu frühes gesundheitlich bedingtes Ausscheiden aus allen öffentlichen Funktionen im Jahre 1973 war nicht nur für ihn sondern auch für Österreich ein schwerer Schlag, den er—unterstützt von seiner Gattin und vielen Freunden — mit bewundernswürdiger Haltung gemeistert hat.
