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Verirrungen

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Die letzte Opernpremiere der Saison in Graz brachte die Bekanntschaft mit dem Intendanten des Mar-seiller Opernhauses Jacques Karpo. Seine Inszenierung von Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“, die einen sehr zwiespältigen Eindruck hinterließ, ist einerseits bestimmt von der Neigung des Franzosen zur gründlichen Beschäftigung mit dem Werk des Deutschen E. Th. A. Hoffmann, anderseits aber auch durch eine gewisse Originalitätssucht, die, um jeglichem Klischee auszuweichen, sich in bizarren Ungereimtheiten, die bar jeder Bühnenlogik sind, verirrt. Fast möchte man sagen, der Regisseur hat sich zu viel gedacht bei der Interpretation von Offenbachs Oper. Die Musik dürfte ihn weniger inspiriert haben als die Suche nach motivischen Zusammenhängen der drei Szenen mit ihrem Vor- und Nachspiel. Auffallend ist die Betonung der Rolle des Theaters in Karpos Inszenierung: das beginnt mit einer Pantomime von Figuren aus dem „Don Juan“, setzt sich fort in der Schnürbodenwelt des Olympia-Aktes, bezieht den hell werdenden Zuschauerraum mit ein und gipfelt im Aufmarsch von Opernfiguren wie Brünnhilde, Amneris und Carmen, die als Personifikationen von Antonias Mutter die Tochter zum Ubertreten des Sing-Verbotes verführen sollen. Die Stimme der Mutter kommt aus einem altmodischen Trichtergrammophon — klanglich entsprechend verfremdet, versteht sich. In der Überfülle der oft mehr als ungeordnet erscheinenden Details finden sich zweifellos, auch eindrucksstarke und sinnvolle Lösungen. So gelingt etwa die Entfaltung der Puppenmaschinerie, die noch durch skurrile Fabelwesen ergänzt wird, besonders gut, und auch im — an letzter Stelle gereihten — Giuliet-ta-Akt finden sich mit Wolfram Skalickis phantastischer Spiegelgalerie sehenswerte Momente.

Schade, daß Offenbachs Musik nicht stärker auf die szenische Erfindung gewirkt hatte. Ihre Wiedergabe unter Theodor Guschlbauer wirkte schlank und leichtgewichtig, die Harfenakkorde der Barkarole waren geradezu aufreizend penetrant. Diese fast ironische Transparenz hatte kaum noch etwas gemein mit dem phantastischen Irrgarten literarisch bestimmter Regieeinfälle auf der Bühne oben. Thomas Moser war ein lyrischer, wenig profilierter Hoffmann, Gottfried Hornik paradierte in den Gegenspielerrollen mit seiner prächtigen, mühelos geführten Stimme.

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