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Versäumnisse

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Muschgs vielgelobte Erzählkunst erweist sich in diesem Buch erneut. Es geht in diesen Geschichten um die Hintergründigkeit scheinbar harmloser, alltäglicher Geschehnisse, die Menschen unglücklich machen und in Schuld verstricken. Lebensversäumnisse werden zum Anlaß, auszubrechen aus der Schalheit gewohnten Daseins.

Am folgenschwersten geschieht das im „13. Mai". Da erschießt ein erfolgreicher Professor des Strafrechts, als ihm die Ehrendoktorwürde einer Universität überreicht wird, den Laudator mitten in seiner Lobrede. Kein Beziehungsdelikt, sondern die Tat eines Mannes, dem die Ängste und Frustrationen seiner Jugend verwehrten „ein Mensch in seiner Haut" zu werden.

Andere Geschichten sind weniger dramatisch. An ihnen wird Schuld demonstriert: Ein alleinstehender Vater verläßt abends seine kleinen Kinder, obwohl er weiß, daß sie ihn brauchen. Eine alte, taube Frau wird durch „unterlassene Anwesenheit" des Käufers des Hauses, in dem sie wohnt, von Verwandten in ein Altersheim eingewiesen.

Schuld erwächst in Muschgs Erzählungen weniger aus sogenannten „Vergehen", als aus Versäumnissen sich selbst und der Umwelt gegenüber. Der Leser fühlt sich gefordert, eigene Erfahrungen zu überprüfen.

LEIB UND LEBEN. Von Adolf Muschg. Suhrkamp-Verlag, Frankfurt/M. 1982. 216 Seiten, Ln., öS 182,50.

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