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Versiegte Tränen

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Frau Bandaranaike ist nicht mehr Ceylons Ministerpräsident. Seit dem. Tode ihres Mannes, seit Jahrzehnten also, war es ihr mit schöner Regelmäßigkeit gelungen, alle Wahlen mit Hilfe öffentlichen Schluchzens zu gewinnen. Da sie Ceylons Staatsschiff wacker auf Linkskurs steuerte, galt der Absolutismus des Bandaranaike-Clans in der veröffentlichten Meinung dieser seltsamen Erde als „demokratisch” und Ceylon zählte, im Gegensatz etwa zu Südafrika und Rhodesien, zu den „braven” Ländern, Witwen- tränen waren legitimer Ausdruck demokratischer Willensbildung. Nur hinter vorgehaltener Hand erfuhr man von Zuständen, die das Maß an Korruption und Unfähigkeit, das man entkolonialisierten Staaten von vornherein zuzubilligen hat* um ein beträchtliches überstiegen.

Nun aber scheint dieses Maß voll gewesen zu sein. Merkwürdigerweise folgte Ceylons Wählerschaft den Gesetzen verpönter westlicher Logik und schaffte die Witwenherrschaft ab. Es gab einen Erdrutsch. Die veröffentlichte Meinung, darob ziemlich verdattert, gab stotternd zu bedenken, daß es jetzt, nach Indiras und Frau Bandaranaikes Sturz, keinen weiblichen Ministerpräsidenten mehr gebe. O je.

Nicht vergessen sei übrigens Isa- belita Peröns charmante Mißwirtschaft in jener Zeit, als Argentinien noch nach astrologischen Grundsätzen regiert wurde. Und nachgetrauert sei der einzigen wirklichen Könnerin unter all diesen Damen, Golda Meir.

Aber wie dem auch sei: auf Ceylon, das jetzt Sri Lanka heißt, wird es lange Zeit benötigen, bis das neile Regime die alte Korruption durch eine auch nur annähernd gleichwertige ersetzt hat. Das Volk kann Atem schöpfen. Der Witwenschleier weht nicht mehr über Ceylon.

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