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Vom Unrecht in der Politik

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Das Tiroler Landestheater hat in dieser Saison zwei Stücke herausgebracht, die — ohne Streben nach Tagesaktualität — grundsätzliche Probleme der Politik anschneiden. Slawomir 'Mrozeks „Emigranten“, überzeugend inszeniert von Bohus Rawik, der selbst das Emigrantenschicksal kennt, zeigen stärker durch die Atmosphäre als durch Ereignisse und Erörterungen im Stück die Hilflosigkeit des einzelnen (des Arbeiters, der sich für ein eigenes Haus abmüht, und des Intellektuellen, der die Mechanismen der Sozietät entlarven will).

Fritz Hochwälders „Der öffentliche Ankläger“, der zum 65. Geburtstag des Autors inszeniert wurde, macht eine spannende und ereignisreiche Handlung zum Teil einer Auseinandersetzung um die Notwendigkeit der Schuld in der Politik. Hier kann die in der Regierung einflußreiche Teresia Tallien, die einst gegen den Terror Robespierres gekämpft hat und beinahe sein Opfer geworden wäre, den öffentlichen Ankläger des Terror-Tribunals Fouquier-Tinville vernichten, wird sich dann aber so wenig wie andere vor ihr, so wenig wie Fouquier selbst, der Notwendigkeit und der Versuchung der Machtsicherung durch das Unrecht entziehen können. Hochwälder hat auch in einem Vortrag über Freiheit und Gleichheit einen Tag vor der Premiere seine Begabung gezeigt, Geschichte und Politik als dramatisches Geschehen zu interpretieren. Zwar unterläuft dem „Moralisten“ (wie er sich selbst nennt) manche Vereinfachung, überrascht vor allem die Sicherheit, mit der Maßstäbe des Ethischen vorausgesetzt werden; trotzdem bewegt dieses Stück, das ja in den fünfziger Jahren mit Blick auf die politischen und ethischen Probleme jener Epoche geschrieben wurde, auch nach 22 Jahren.

In Innsbruck bekam es noch mehr Resonanz durch Oswald Fuchs, der in der Titelrolle unter dem kalten und gewissenlosen Funktionär Reste von Menschlichkeit erkennen ließ; seine Gegenspielerin, Brigitte Schmuck als Teresia, war in Franz Kainraths insgesamt gelungener Inszenierung etwas zu wenig Mensch, zu sehr berechnende Rächerin und Politikerin, wie auch Helmut Wlasak als Tallien farblos blieb. Eindrucksvoll gestaltete Peter Rieder das Bühnenbild mit einem unendlichen Turm von Akten des Terrors.

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