6953605-1984_21_12.jpg
Digital In Arbeit

Von Chruschtschow zu Tschernenko

Werbung
Werbung
Werbung

Boris Meissner, bekannt als einer der führenden deutschen Osteuropa-Fachleute, hat seine laufende Berichterstattung über die Sowjetunion in einem Bändchen der erfolgreichen Edition Inter-from zusammengefaßt. Die Broschüre enthält die Hauptdaten des Geschehens im Ostblock seit Chruschtschows Sturz im Oktober 1964 bis zur Installierung Tschernenkos als neuen Kremlchef.

Die Darstellung hält sich an die ersten Männer der KPdSU, an ihre Verlautbarungen und an die äußerlichen Veränderungen in den hierarchischen Strukturen des Regimes. Die Wechselwirkungen im Verhältnis zur übrigen Welt werden in diesem Rahmen skizziert, ebenso Veränderungen in den sozialen Schichten und bei den Völkern der Sowjetunion.

Dieser relativ abstrakte Zugang läßt Erwägungen über

Kurskorrekturen und einen -überfälligen — Kurswechsel des Kremls zu, Spekulationen über künftige Entwicklungen in die eine oder andere Richtung (re-form-kommunistischer oder chauvinistisch-militärischer Art) und Hoffnungen auf echte Entspannungschancen.

Bei aller Vorsicht, die Meissner bei solchen Vermutungen walten läßt, führt er, wie andere Sowjetexperten auch, die Erwartungen ins Illusionäre, zum im Westen halt so Erwünschten, gern Gehörten. Experten mit dieser Einstellung sind gehalten, sich selbst zu kommentieren: inwiefern und weshalb sich die Sowjetunion ihrer Andichtungen immer noch nicht befleißigt.

Die Bedrohung des Westens durch das Sowjetsystem ist jedoch schlicht deshalb unabänderlich, weil seine Machthaber sich allein schon durch die Existenz der freien Welt bedroht wissen. Daraus folgt alles andere. Vernunftappelle und Friedenssehnsüchte ändern nichts an der Sowjetrealität; sie bewirken nur, daß in Moskau der Westen geringgeschätzt und vielleicht folgenschwer verkannt wird.

Der gute Wille, der sich selber auf die Schulter klopft, ist wie die formalistische Betrachtung des sowjetischen Fassadenumbaus in Gefahr, die löblichen Ziele zu verfehlen. Die begrüßenswerte sachliche Information, die Meissner auch mit dieser Publikation wieder bietet, verdeckt eher die banal-fürchterliche Realität des Sowjetsystems, als daß sie sie vermittelt.

SOWJETISCHE KURSKORREKTUREN. Breschnew und seine Erben. Von Boris Meissner. Edition Interfrom, Zürich-Osnabrück 1984. 143 Seiten, TB., öS 109,20.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung