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Von Sein und Schein

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Beziehungskisten können gähnend langweilig und tödlich trivial sein. Nicht aber wenn sie Robert Gernhardt erzählt. Denn er ist ein Meister der psychologischen Feinzeichnung, der ironischen Zwischentöne und der sarkastischen Desavouierung seiner Figuren, mit denen er die Leser zunächst sympathisieren und dann abstürzen läßt - ins Komische, Groteske, ja Erbärmliche. So auch in dem neuen Erzählungsband „Lug und Trug", in dem die Beziehungsteilnehmer scheinbar um Ehrlichkeit und Offenheit bemüht sind, sich aber als Lügner und Betrüger, als Belogene und Betrogene entpuppen. Der Leser schaut staunend zu und darf sich an die eigene Nase fassen.

In der ersten Geschichte möchte ein Sohn von der Mutter endlich die Warheit über seine Kindheit während der Kriegsjahre in Posen wissen. Er schreibe an einem baltischen Familien- und Enthüllungsroman. Doch bei der Abrechnung hat der Sohn -„Ödipus" oder „Schnödipus"? -die Rechnung ohne die Mutter gemacht. In Wahrheit übersetzt er nämlich einen amerikanischen Pornoroman. Im Mittelstück erzählt Carla ihren Freundinnen von ihrem Kanadatrip, bei dem sie beinahe die Gelegenheit genutzt hätte, ihren Gatten loszuwerden. In der letzten Geschichte fährt ein sexuell dahindämmerndes Paar nach Indonesien, wo es angeblich die schönsten Frauen der Welt geben soll. Und plötzlich zirkulieren wieder ungeahnte Säfte; doch leider spielt der Geist nicht mit und die beiden reisen heim als das, was sie vorher waren: Schlafmützen der Liebe.

Selten ist der tägliche „Psycho-kleinkrieg" so witzig und weise geschildert worden wie hier.

LUG UND TRUG. Von Robert Gern-hardt. Haffmanns Verlag, Zürich 1991. 288 Seiten, öS 265.20.

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