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Weibliche Alltagsmoral

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Nicht natürliches Vernunftdefizit, sondern nur mangelhafte Wissenskultur unterschied lange das weibliche vom männlichen Geschlecht. Solche Bildungsnot läßt sich aber auch als Tugend erfahren, wie Ursula Pia Jauch in ihrer geistesgeschichtlichen Studie „Damenphilosophie & Männermoral" aufzeigt.

Denn unbehelligt von doktrinären Lehrmeinungen konnten die Frauenzimmer des 17. und 18. Jahrhunderts zu anfänglichem Fragen und Philosophieren angeleitet werden. „Damenphilosophie" bewährte sich deshalb als „Hebel, die verkrusteten Denkbahnen" der Männer aufzubrechen, Selbstbeschneidung und Erneuerung des Denkens zu befördern. An derartigen Projekten „wissenschaftlichen Ballastabwerfens" waren zwar einige wenige beherzte und gebildete Damen aktiv beteiligt (die Autorin nennt Beispiele publ izierender Philosophinnen aus Frankreich und Italien), in erster Linie aber wählten Herren wie Fontenelle, Leibniz, Wolff und sogar Kant gern den Umweg über die Belehrung von Frauen zur moralischen Besserung der Männer.

Die weiblichen „Transformationsanlagen" verstanden es nämlich, große männliche Ethiken in kleine A1I-tagsmoral umzusetzen. Ähnliche Dienste leisteten sie auch bei der späteren radikalen Destruktion von herrschenden MoraI-„Ideologemen", die ein Marquis de Sade betrieb. Dieser pikante, einschlägig illustrierte Ausblick tut der insgesamt eher gemäßigt emanzipatorischen, gut lesbaren „Damenphilosophie" unserer Tage ebensowenig Abbruch wie gelegentlich spöttisch-herbe Kritik. DAMENPHILOSOPHIE & MÄNNERMORAL. Von Abbe de Gerard bis Marquis de Sade. Ein Versuch über die lächelnde Vernunft. Passagen Verlag, Wien 1990. 209 Seiten, öS 310.40.

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