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Weiblichkeit geprüft

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Seit den Olympischen Spielen 1968 in Mexico-City schreibt das Internationale Olympische Komitee für Sportlerinnen zwingend sogenannte Sex-Tests vor. Bei diesen auch „Feminity Control“ genannten Tests werden aus der Haarwurzel oder durch einen Abstrich der Mundschleimhaut Zellen gewonnen, deren Sexchromatin-Gehalt bestimmt wird.

Anhand der Zahl der sogenannten Barr-Körperchen ist durch chemische Untersuchung eindeutig feststellbar, ob sie von einer Frau stammen. Der Frauen entsprechende Chromosomen-Typ XX hat normalerweise etwa halb so viele „Barr-Körperchen“ wie der den Männern entsprechende Chromosomen-Typ XY. Besteht aufgrund der Geschlechtsdiagnostik anhand der Chromosomen der Verdacht, daß es sich nicht eindeutig um eine Frau handelt, sind weitere klinische und gynäkologische Untersuchungen vorgeschrieben. Ergeben diese Untersuchungen einen Befund nicht eindeutiger weiblicher Geschlechtszugehörigkeit, kann ein Ausschluß von den Bewerben verfügt werden, da zwischen Frauen und Männern eine ungleiche Verteilung der Muskelkraft gegeben ist. Im Durchschnitt beträgt die Muskelkraft der Frau etwa zwei Drittel der Muskelkraft des Mannes, auch sind die Muskeln der Frau entsprechend weniger trainierbar, was mit ihrer geringeren Produktion männlicher Sexualhormone zusammenhängt.

Da sich an der einmal festgestellten Chromosomen-Zusammensetzung nichts verändern kann, genügt die einmalige Durchführung einer solchen Geschlechtsdiagnostik. Die Sportlerinnen erhalten dann eine „Feminity Card“, die sie für alle Zeiten als „Frau“ ausweist.

Sportlerinnen selbst sind über den „Sex-Test“ geteilter Meinung, manche sehen in ihm eine Diskriminierung. Auch das Internationale Olympische Komitee hat eine medizinische Arbeitsgruppe eingesetzt, die Alternativen ausarbeiten soll. Änderungsvorschläge reichen von der Einführung einfacher gynäkologischer Untersuchungen durch Ärztinnen bis zur Hormonanalyse der Testosteron-Werte der Sportlerinnen. Darauf, daß eine den Chromosomen nach eindeutige Frau durch die Überproduktion des für die Muskelbildung wesentlichen männlichen Sexualhormons anderen Frauen überlegen sein kann, verweisen auch Sportmediziner.

Andererseits ist vom ärztlichen Standpunkt die Kraftleistung in den verschiedenen Disziplinen gegenüber der Ausdauerleistung zu unterscheiden, und innerhalb der Kraftleistung sind neben der Muskelkraft Reaktionsfähigkeit, Bewegungsgeschwindigkeit und Koordinationsfähigkeit entscheidende Faktoren.

Als der „Sex-Test“ eingeführt wurde, verschwanden die Namen mancher Sportlerinnen, etwa der sowjetischen Leichtathletinnen Irena und Tamara Press, oder der Rumänin Yolanda Balas, von den Teilnehmerinnenlisten der internationalen Wettkämpfe. In verbandseigenen Tests war ein möglicher Ausschluß bei internationalen Wettbewerben vorweggenommen worden, mit den tiefgreifenden menschlichen Problemen müssen betroffene Sportlerinnen dann selbst zurechtkommen.

Den Gegnerinnen des „Sex-Tests“ zugute kommt die Tatsache, daß in vielen Disziplinen zunächst von Männern erzielte Rekorde in den darauffolgenden Jahren auch von den Sportlerinnen erreicht werden, sodaß der Nachweis mißlingt, daß bestimmte Höchstleistungen ausschließlich aufgrund einer männlichen Chromosomen-Kombination zu erbringen sind.

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