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Weltgeschichte

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Bei Honecker bimmelte das Telephon. „Es ist eine Infamie“, schrie ein aufgebrachter Husak, „mich mit anonymen Anrufen zu belästigen!“

Frechheit“, schrie Honecker zurück, „gerade wollte ich mir ihre dummen Scherze verbitten. Sie haben es notwendig, mein 99prozenti-ges Wahlergebnis in Zweifel zu ziehen.1“

„Das ist mir doch ein Lausbubenstück“, kreischte Husak im höchsten Diskant, querst mißbrauchen Sie meine Geheimleitung, um meinen 99prozentigen Wahlsieg zu verhöhnen, und dann streiten Sie es auch noch ab! Da hört sich doch alles auf! Vor allem der Warschauer Pakt!“

In einem Moment des Schweigens infolge beidseitiger -Erschöpfung sagte Honecker: „Ist da jemand in der Leitung?“

„Sie haben gelacht“, sagte Husak, „Sie haben auch noch gelacht!“

„Ich habe nicht gelacht?', sagte Honecker, „Sie haben gelacht“

„Treiben Sie es nicht auf die Spitze“, sagte Husak.

„Ich habe wirklich nicht gelacht“, sagte Honecker bebend, „ist da jemand in der Leitung?“

„In unserer geheimsten Staatsleitung?“ sagte Husak, „das ist doch lächerlich!“

„Ist da jemand in der Leitung, zum Teufel?“ brüllte Honecker in den Hörer.

Ja“, sagte eine sehr tiefe Stimme.

„Das ist ja eine Ungeheuerlichkeit“, schrie Husak, „wer sind Sie?“

„Ich wollte“, sagte die tiefe Stimme, „Sie beide nur noch einmal beglückwünschen. Das haben Sie beide gut gemacht. Über 99 Prozent! Aber warum verleugnen Sie eigentlich Ihren guten alten Lehrer?“

„Wer sind Sie?“ schrie Honecker.

„Kennen Sie mich wirklich nicht mehr?“ sagte die tiefe Stimme, „ich spreche aus der Hölle; der Teufel erlaubt mir einmal im Jahr zu tele-phonieren. Ich selbst habe es einst auf 99,7 Prozent gebracht. Ich bin's doch! Der Adolf!“

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