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Wenn die Kasse zweimal klingelt

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Wenn mein Blick auf den monatlichen Gehaltszettel fällt, denke ich mir manchmal, ich hätte doch lieber Fasser werden sollen. Oder Einrichter.

Sie verstehen nicht ganz, lieber Leser? Nein, das ist kein neues Handwerk — aber goldenen Boden hat es doch. Sollten Sie ein fleißiger und aufmerksamer Theaterbesucher sein, haben Sie mit die-

sem Berufszweig sicher schon Bekanntschaft geschlossen. Sie wollen wissen, in welchem Zusammenhang? Blicken Sie einmal genau auf den Programmzettel: Dort tummeln sich an der Spitze, gleich nach dem Namen des - gewöhnlich schon lange verblichenen und daher wehrlosen — Autors, meist noch ein bis zwei Namen.

Da heißt es etwa „Komödie von Nikolai Gogol. In der Fassung von …“ oder „Lustspiel in fünf Akten von Eugene Scribe. Eingerichtet für das XY-Theater von…“ Das sind die Fasser und Einrichter. Meist treten sie paarweise auf. Und zwar aus ökonomischen Gründen. Ökonomisch freilich nicht im Sinne der jeweiligen Bühne, sondern… weil dann die Kasse eben zweimal klingelt.

Denn nicht, wie der gutgläubige

Theaterbesucher voll Rührung über den Eifer dieser guten Menschen vermeinen könnte, um uns die Werke der Klassiker verständlich zu machen, greifen die Fasser und Einrichter zur wohlbezahlten Feder - nein, Tantiemen heißt das Zauberwort, vor dessen goldenem Glanz unsere Freunde erblassen - oder vielmehr vor Eifer rot werden.

Was nach Ablauf urheberrechtlicher Fristen für den Autor, die Erben oder den Verlag keine finanziellen Erträge mehr abwirft, läßt sich noch von anderen nützen. Diese Marktlücke haben die genialen Fasser und Einrichter entdeckt und machen sich darin breit und fett.

Beliebt sind dabei vor allem Werke der fremdsprachigen Literatur. Zwar existiert meist eine Unzahl von Ubersetzungen des jeweiligen Werkes, doch sind diese naturgemäß nicht heutig genug und entsprechen daher nicht den Intentionen des meist genialen Regisseurs.

Dieser mietet sith deshalb einen der Sprache mächtigen Co, der eine alte Ubersetzung modernisiert. Der Herr von der Regie fügt dann noch seiner Genialität entsprechend sprachliche Verfeinerungen hinzu. Das erfolgt nach dem Strickmuster: Zwischen drei und sieben Mal das Götzzitat, einige möglichst illustrative Vokabel aus dem Stoffwechselbereich, ein bißchen Szene-Jargon, und schon ist brandheißes Theater heute.

was sonst nur ein verstaubter Klassiker von vorgestern wäre.

Der Regisseur kassiert nicht nur einmal für seine neudeutende Inszenierung, sondern gleich zweimal — im Verein mit seinem Co -, sobald die neufassende Einrichtung über jene Bretter, die das Geld bedeuten, geht. Der Tantiemenquell sprudelt dann bei jeder einzelnen Aufführung. Was für eine Freude, wenn die Kasse zweimal klingelt…

Verstehen Sie jetzt, warum ich gerne Fasser wäre - oder Einrichter?

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