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Wider den Sumpf der Großstadt

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Beim heurigen Filmfestival von Cannes gewann der amerikanische Streifen „Taxi Driver“ den ersten Preis, die „Goldene Palme“. Die Anerkennung galt nicht zuletzt dem Regisseur Martin Scor-sese, der allmählich zu einem Liebkind von Cineasten in aller Welt geworden ist.

Scorseses Taxichauffeur nennt sich Travis Bickle und fährt mit seiner gelben Limousine nur nachts durch das Häusermeer von New York. Er ist fasziniert von der Großstadt und zugleich angewidert von ihrem menschlichem Abschaum von Prostituierten, Zuhältern, Homosexuellen, Rauschgiftsüchtigen und Kriminellen aller Art. Travis, der sich in der Monotonie seines1 Lebens als „Gottes einsamster Mann“ fühlt, lernt eines Tages ein kultiviertes, attraktives Mädchen kennen, das an ihm echtes Interesse bekundet, sich aber angeekelt abwendet, als er sie in ein Pornokino ausführt.

Nach diesem seelischen Knacks überkommt Travis eines Tages ein „neuer Impuls“: er beschließt, „sich nicht mehr alles gefallen zu lassen, sich gegen den Dreck der Großstadt zu wehren.“ Er, der bisher im Dienst nie eine Waffe getragen hatte, legt sich ein ganzes Arsenal von Revolvern zu und schreitet zur „totalen Mobilmachung“: er stählt seinen Körper in einem geradezu militärischen Drill. Er will zuerst ein Exempel durch den Attentatsversuch auf einen Präsidentschaftskandidaten statuieren, fällt dabei aber vorzeitig auf und kann sich gerade noch aus dem Staub machen. So setzt er eine noch blutigere Aktion, als er ein 13jähriges Straßenmädchen aus ihrem Sumpf herausziehen will, dabei drei Mann aus dem Prostitutionsgeschäft kaltblütig tötet r>ittrwJi! i selbst ernstlich i verwundet wird. Das danken ihm nicht nur die“ Eltern der minderjährigen Dirne, sondern auch die Zeitungen, die ihn als Helden im Kampf gegen die New Yorker Unterwelt feiern. Das Schlußbild zeigt Travis wieder auf einer nächtlichen Taxifahrt durch New York.

Die Problematik des Films liegt, wie schon die Inhaltsskizze zeigt, im Schluß. Wieder einmal muß Selbstjustiz herhalten, um menschliche und soziale Proleme zü „lösen“. Dabei ist der Weg des Taxichauffeurs in seiner sich immer steigernden monomanischen Besessenheit zu einem durch Feuer sich selbst und die Umwelt scheinbar reinigenden „Engel der Gerechtigkeit“ psychologisch konsequent gezeichnet, doch dem Blutbad, das der Regisseur zwar optisch verfremdet, aber in Zeitlupe und Detailaufnahmen auskostet, folgt die Sanktionierung durch die Umwelt; kein Wort von einem Verfahren gegen einen Menschen, der immerhin drei andere auf dem Gewissen hat. Bei der manchmal geradezu atemberaubenden formalen Brillanz, ist der Makel, der dem Film durch seine Geistigkeit anhaftet, doppelt bedauerlich. Auch schauspielerisch bleibt kein Wunsch offen. Robert de Niro, der im zweiten Teil des „Paten“ auffiel und damals gleich mit einem „Oscar“ prämiert wurde, meistert die riesige Titelrolle — er ist fast immer im Bild. Die beiden weiblachen Hauptrollen sind bei der aparten Cybill Shepperd und der blutjungen, aber frappierend begabten Jodie Foster in besten Händen.

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