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„Würde auch Umfrage über die Todesstrafe machen"

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Während vergangene Woche das fünf Monate alte Baby im Bauch der in der Wiener Rudolfsstiftung im Koma liegenden Monika N. noch am Leben war (Kommentar auf Seite 8), wollte es die Ö-3- „ Freizeichen " -Redaktion genau wissen: „Soll die Schwangerschaft fortgesetzt werden, falls die Mutter stirbt?", lautete die Fragestellung, mit der das Team rund um Moderatorin Nora Frey die Hörer mittels telefonischer TED-Umfrage zur Stellungnahme bat. Das -rechnerisch unmögliche -Resultat wurde noch in der Sendung verkündet: 61 Prozent sind dafür, im Falle des Todes der Mutter auch das Baby sterben zu lassen, 49 Prozent sind dagegen. Jedenfalls war, laut Frey, eine knappe Mehrheit für „Mitsterben".

Sind aber derartige Publikumsbefragungen über Leben und Tod moralisch vertretbar? - „Warum nicht", meint Nora Frey im FUR-CHE-Gespräch: „Natürhch wollen wir ganz bewußt Tabus ansprechen." Und da passe es durchaus ins Sendungskonzept, wenn Existenzfragen angesprochen werden. Sie selbst hätte auch kein Problem damit, eine

TED-Umfrage über die Wiedereinführung der Todesstrafe durchzuführen, meint Frey: „Allerdings müßte das in der Redaktion ausdiskutiert werden."

Der Wiener Publizistik-Professor Maximilian Gottschlich ortet freilich in dieser „Enttabuisierung durch die Medien eine verhängnisvolle Entwicklung". Verhängnisvoll sei vor allem, daß überaus komplizierte Sachverhalte derartig vereinfacht präsentiert werden, sodaß eine differenzierte und dter Fragestellung gerecht werdende 1 )iskussion nicht mehr möglich wird.

Für Gottschlich ist die TED-Umfrage über das „Koma-Baby" ein Beispiel dafür, daß moralische Werte zunehmend durch „öffentliche Meinung" ersetzt werden: „Dieser Journalismus enthüllt nicht mehr Fakten, sondern Tabus. Das führt schließlich zu einem Abstumpfungsprozeß. "

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