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Zerreißprobe für Gorbatschow

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Zuerst kamen aus Moskau Aufforderungen. Dann Drohun- gen. Jetzt hat die befürchtete Wirtschaftsblockade gegen Li- tauen voll eingesetzt. Michail Gorbatschow hat der eigenwil- ligen Baltenrepublik nicht nur den Gas- und Erdölhahn abge- dreht. Auch andere lebensnot- wendige Lieferungen wurden gekappt.

Wie lange wird das kleine Li- tauen der mächtigen Sowjetuni- on noch trotzen können? Eine Woche, zwei Wochen? Länger? Die sowjetische Zermürbungs- taktik schließt trotz früherer Beteuerungen sogar die Anwen- dung von Waffengewalt nicht mehr aus.

Vilnius und Moskau sind zum Äußersten entschlossen. Der Kremlchef wird jedenfalls nicht nachgeben. Im Gegenteil - Mos- kau muß alles vermeiden, was einer De-facto-Anerkennung Li- tauens als selbständiger Staat gleichkommt. „Les von Mos- kau" wäre dann für andere Teil- republiken auch keine bloße Parole mehr. Die sowjetischen Unruheprovinzen wollen lieber heute als vielleicht in fünf Jah- ren aus dem Staatsverband austreten. Litauen kann die am 11. März einstimmig beschlosse- ne Unabhängigkeitserklärung auch nicht zurückzunehmen, ohne Glaubwürdigkeit und, Ge- sicht zu verlieren.

Moskau propagiert schon seit Jahren eine neue Politik der Rechtsstaatlichkeit. Davon kann aber das Selbstbestimmungs- recht der baltischen Völker nicht ausgeklammert bleiben.

Eine Zerreißprobe für das Sowjetsystem und Michail Gor- batschow, bei der der Westen nicht tatenlos zusehen wird. Die UdSSR hätte aber im Falle einer westlichen Blockade den weit- aus längeren Atem als die Bal- tenrepublik. Litauen als Opfer für die „Rettung der Perestroj- ka" (Gorbatschow) wäre ein zu hoher Preis.

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