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Zuckungen der Diktatur im Todeskampf

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Seit Beginn dieses Jahres liegt Kenia im Mehrparteienfieber. Präsident Daniel Arap Moi hat nach Streitereien und Aufständen dieses System akzeptiert. Aber das bedeutet noch lange nicht Demokratie.

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Seit Beginn dieses Jahres liegt Kenia im Mehrparteienfieber. Präsident Daniel Arap Moi hat nach Streitereien und Aufständen dieses System akzeptiert. Aber das bedeutet noch lange nicht Demokratie.

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Arap Moi, 68 Jahre alt, steht in der schwierigsten Krise seiner 13jähri-gen Amtszeit. Nach einem militärischen Putschversuch im August 1982 hat er nach einer Verfassungsreform einen Einpartei-Staat gegründet. Seit dieser Zeit sind Korruption, ungeklärte politisch motivierte Morde, Wahlfälschungen, Verletzung der Menschenrechte tägliches politisches Faktum in diesem ostafrikanischen Land. Die neue internationale politische Großwetterlage mit dem Triumph der liberalen Demokratie hat Daniel Arap Mois Partei und Regierung in enorme Schwierigkeiten gebracht.

Im Laufe der letzten Monate kam es zu vermehrten Austritten aus der Kenyan National Union (KANU, die Partei von Arap Moi) und auch zu Rücktritten von Regierungsmitgliedem. In einem bestimmten Rhythmus verlor der Präsident seine besten Mitarbeiter. Nach dem Rücktritt des Nationalobmannes von KANU, Peter Olou Avingo, haben viele Minister ihr Amt zurückgelegt und spielen die Oppositionskarte. Gleichzeitig kämpfte das Forum für Wiederherstellung der Demokratie (FORD) mit Straßendemonstrationen für die Zulassung von mehreren Parteien. Diese Gruppe fordert jetzt eine volle demokratische Transparenz.

Vor zwei Jahren, nach dem Mord am früheren Außenminister Robert Ouko, hat das Regime vollends seine Glaubwürdigkeit verloren. Dieser Minister hatte die Amtsträger sowohl von Regierung als auch von KANU aufgefordert, ihre Auslandsgelder zurück nach Kenia zu transferieren. Tatsächlich gibt es höchste Parteifunktionäre, die gigantische Dollarsummen in Europa angelegt haben. Dem Energieminister sagt man nach, ungefähr 200 Millionen US-Dollar auf ausländischen Banken zu haben.

Daniel Arap Moi steht mehr und mehr allein. Als Nachfolger des ersten Präsidenten von Kenia, Jomo Kenyatta (gestorben 1978), hat er diktatorische Vollmachten für sich gefordert, die man in den anglopho-nen afrikanischen Ländern nur mit der Präsidentschaft auf Lebenszeit eines Kamuzu Banda in Malawi vergleichen kann. Arap Moi kontrolliert alles durch seine politische Polizei, die „Special Branch". Wie jeder Diktator duldet er keinen Widerspruch und krankt an Megalomanie und Persönlichkeitskult. Auf Banknoten findet sich sein Porträt, Straßen, Stadien und Spitäler tragen seinen Namen. Man nennt ihn „Doktor", „Vater der Nation", „Eroberer", „Großer Elefant", „Weiser" oder „Nationales Wunder" - und er mag und will das.

Arap Moi hat Gerichte und Gerechtigkeit zu seinen Instrumenten gemacht, die Presse eingeschüchtert, die Universitäten unterdrückt. Aber er geht ganz friedlich in die Kirche beten. Arap Moi bleibt durch Angst und Korruption im Amt, er hat die Krankheit Afrikas. Er ist ein grausamer und inkompetenter Diktator.

Lange Zeit haben die westlichen Geberländer schweigend über den Amtsmißbrauch Arap Mois hinweggesehen - er war immerhin getreuer Alliierter des Westens in dieser Region Ostafrikas. Heute protestiert man gegen ihn und will Hilfe nur bei Respektierung der Menschenrechte gewähren.

Steht damit das Ende der Repressionen (beispielsweise mehr als 20 Tote bei Demonstrationen im Juli 1991), das Ende der Pressezensur bevor? Oder vielleicht das Ende des Zwangsexils für Keniaten, wie etwa den in den USA lebenden Schriftsteller Ngugi Wa Thiongo?

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