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„Kurswechsel” in Kenia: Keine Vorteile fürs Volk

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Wenn von Kenia die Rede ist, denken die meisten an Abenteuerurlaub und Safaris. Doch im Land des Präsidenten Daniel arap Moi, einst eine Hoffnung des Westens, werden nicht nur Löwen gejagt. Der Oppositonspo-litiker und (evangelikale) Bischof Joseph Kimani fordert nun das Eingreifen der UNO.

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Wenn von Kenia die Rede ist, denken die meisten an Abenteuerurlaub und Safaris. Doch im Land des Präsidenten Daniel arap Moi, einst eine Hoffnung des Westens, werden nicht nur Löwen gejagt. Der Oppositonspo-litiker und (evangelikale) Bischof Joseph Kimani fordert nun das Eingreifen der UNO.

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Kurz nach ein Uhr früh bricht eine Bande von 15 Männern in das Haus von Bischof Joseph Kimani ein. Sie brechen ihm mit einem Stein den rechten Arm, ein Pfeil zerschießt ein Bein. Eigentlich sollte er getötet werden. Warum er letztlich verschont blieb, weiß er bis heute nicht. Schließlich begnügte sich die Bande mit Geld, das sie im Haus fanden.

Dieses Ereignis liege schon einige Jahre zurück, berichtet der Opposition spolitiker Kimani in einem Gespräch mit der FURCHE am Rande der Menschenrechtskonferenz. Doch bis heute habe sich in Kenia nichts geändert. „Täglich verschwinden Menschen, werden Familien von ihrem Besitz vertrieben. Frauen und Kinder sind Opfer von Gewalt. Hunderttausende sind auf der Flucht.” Verantwortlich dafür sei Präsident Moi, glaubt der Bischof der „Kenya National Evangelism Fellowship” den Schuldigen zu kennen. Trotz der Parlamentswahlen 1992 gebe es keine Demokratie und keine Menschenrechte (siehe FURCHE 19/1993).

Kenias Präsident, Moi galt als eine der wenigen Hoffnungen des Westens in Afrika. 1978 folgte Daniel Teroi-tich arap Moi dem ersten Präsidenten seines Landes, Jomo Kenyatta, in dessen Amt nach. Gleichzeitig wurde

Moi zum Führer der einzig zugelassenen Partei, der Kenya African National Union (KANU). Bis 1991 lehnte das Regime jede Form einer Mehr-Parteien-Demokratie ab.

Auf Druck westlicher Regierungen entschloß sich Moi vor zwei Jahren zum Kurswechsel. Europäer wie Amerikaner hatten angekündigt, sämtliche Stützungszahlungen für Kenia zu kürzen oder zu sperren, sollten nicht politische Reformen durchgeführt werden. Am 2. Dezember 1991, fast 20 Jahre nach der Unabhängigkeit, erklärte der Präsident das KANU-Monopol für beendet. Auf seine Macht wollte Moi jedoch keinesfalls verzichten.

Zustände wie in Somalia

Bereits kurz nach der Zulassung der Opposition kam es zu ersten ethnischen Auseinandersetzungen. So attackierten Kalenjines, vom Klan des Präsidenten, im März 1992 Angehörige der Luos und Kikuyus im Rift Valley. Auch umgekehrt kam es zu Übergriffen. Für Bischof Kimani liegt die Sache klar auf der Hand. „Diese Auseinandersetzungen sind vom Präsidenten provoziert worden. Dahinter steckt System!”, verweist der Parlamentsabgeordnete der Oppositionsgruppe der FORD-Asili auf Aussagen des Regimes, wonach ein Mehrparteien-System die Stabilität des Landes gefährden würde.

Zigtausende Menschen verloren in den folgenden Monaten Hab und Gut und mußten flüchten, Hunderte wurden getötet. Die Regierung machte -je nachdem - Kommunisten, ausländische Regierungen, die Opposition oder einfach Stammesrivalitäten für die Kämpfe verantwortlich. Bis heute dauern diese Auseinandersetzungen an. „Moi ist dabei, das Land in Zustände wie in Somalia zu treiben”, zieht der 38jährige Kimani eine bittere Bilanz des vergangenen Jahres.

Trotz der kritischen Lage beauftragte Präsident Moi am 28. Oktober das Parlament mit der Vorbereitung der ersten Parlamentswahlen in der Geschichte Kenias. Die KANU-Par-tei Mois konnte sich bei diesen Wahlen, die nach Verschiebungen am 29. Dezember 1992 stattfanden, durchsetzen, dank „Betrug, Bestechung,

Vertreibung und Einschüchterung”, wie Bischof Kimani dazu anmerkt. Auch internationale Beobachter konstatierten weitreichende Ungereimtheiten, ohne jedoch eine Neuaustragung der Wahlen zu fordern.

Nicht weniger als 95 von 188 Sitzen gewann KANU bei den Parlamentswahlen. Durch das selbstgezimmerte Wahlrecht erhielt KANU zwölf zusätzliche Mandate. Zudem gestattet die Verfassung dem Präsidenten, auch dann das Regierungskabinett zu bilden, wenn seine Partei nicht die Mehrheit an Sitzen erreicht. „Diese Wahlen waren nicht fair. Hunderttausende konnten gar nicht wählen, weil sie zuvor von Mois Kämpfern vertrieben wurden. Ohne behördliche Registrierung im eigenen District gibt es aber keine Möglichkeit zu wählen”, erläutert der Oppositionspolitiker das Wahlergebnis. Das sei gezielte ethnische Säuberung gewesen. Etwa 2,5 Millionen im 26 Millionen-Staat Kenia vegetieren laut Kimani ohne behördliche Registrierung.

Wahlversammlungen und -Werbung seien oft nicht möglich, teils sogar verboten gewesen. Wer an solch „illegalen” Veranstaltungen teilnahm, dem drohte Verhaftung, Gefängnis und Folter. Die nächsten Wahlen müßten unter der Aufsicht der UNO stattfinden, fordert deshalb Kimani -bereits von der Erstellung der Wahllisten an.

Maulkorb für die Presse

Auch von Pressefreiheit könne in Kenia keine Rede sein, schildert Kimani die Situation der bürgerlichen Rechte.

Tatsächlich kam es nach Angaben von Menschenrechtsgruppen im Vorjahr zu zahlreichen Einschüchterungsversuchen gegenüber regierungskritischen Blättern wie „Society” oder „Financial Review”. Einige Ausgaben dieser Zeitungen wurden beschlagnahmt und Druckereien gedrängt, Aufträge dieser Zeitungen nicht auszuführen.

Journalisten stehen bis heute im Kreuzfeuer der Regierung. Aktuelles Beispiel dafür ist der Herausgeber des Magazins „Finance”, Njehu Gataba-ki. Wie die französische Organisation „Reporters sans Frontieres” bekanntgab, wurde Gatabaki am 14. Juni in Nairobi festgenommen, als er zur Wiener Menschenrechtskonferenz fliegen wollte. Sein Verbrechen: Er sollte hier über die Situation der Pressefreiheit in Kenia reden.

Für Bischof Kimani ist die Grenze des Ertragbaren erreicht.Trotzdem sieht er Möglichkeiten für die Demokratie in Kenia. „Die Welt muß erkennen, daß Moi ein Diktator ist. Wir wollen Frieden. Ich appelliere an die Internationale Gemeinschaft, nach Kenia zu kommen, zu sehen und Moi Einhalt zu gebieten”, wünscht sich Kimani eine aktive Rolle der Vereinten Nationen.

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