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Zum Weiterleben gelunge

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Es war gar nicht nötig, daß man etwas gegen die Gewaltherrscher, es genügte schon, wenn man nichts für sie getan hatte. Uber die politischen und rassischen Prinzipien hinaus genügte es, daß man ihnen nicht paßte. Daß man anders roch als sie.

Und in diesem Augenblick war man vogelfrei, das heißt, einer Vernichtung ausgesetzt, welche viel schlimmer ist als die des Todes. Die Angst, mit der die Diktatur ihre Untertanen in Schach hält, ist ja keineswegs die Todesangst. Ein Mensch, der in einer Zeit des Umsturzes dagegen ist, muß damit rechnen, getötet zu werden, und das wäre für mein Gefühl nicht das Schlimmste gewesen, wenn alles, was man für menschenwürdig hielt, um einen her zum Teufel ging.

Aber körperlich und seelisch zerschlagen zu werden, niedergetreten, zerbrochen, durch Demütigung und Folter verkrüppelt, und so weiterleben zu müssen, als Sklave, ohne Identität, zum Weiterleben gezwungen zu sein, in seiner qualvollsten und hoffnungslosesten Form, unabsehbar und ohne Aussicht auf Erlösung, um dann schließlich doch, elender als ein Tier im Schlachthof, zu krepieren — das war der eigentliche Schrecken, der uns bevorstand und den das Regime verbreitete. Ich erwähne das für solche, die diese Zeit nicht erlebt haben oder — und auch das scheint es zu geben — sich nicht mehr daran erinnern.

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