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Endlich!

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Nach 23 Jahren sollen die noch in der Tschechoslowakei zurückgehaltenen Deutschen von Staatsbürgern dritten Grades zu Staatsbürgern zweiten Grades umgestuft werden. In der neuen Verfassung sollen sie, wie angekündigt wurde, neben den Madjaren, Polen, Ruthenen usw. als „Minderheit“ angeführt werden. In der jetzt geltenden Verfassung werden sie überhaupt nicht erwähnt. Wie der Redakteur der „Lidova demokratice“ Rudolf Ströbinger unlängst in München dazu erklärte, war „der Novotny“ daran schuld.

Nun soll aber nach dem Willen der KPTsch eine eigene Kulturorganisation der Deutschen in der Tschechoslowakei gegründet werden. Diese soll innerhalb der „Nationalen Front“, die praktisch von den Kommunisten gelenkt wird, die kulturellen Interessen der Deutschen wahrnehmen. Wie der mit der Leitung des vorbereitenden Ausschusses für diese Kulturorganlisa- tion beauftragte Heribert Panster, einziger kommunistischer Abgeordneter des Prager Parlaments deutscher Abkunft, betonte, sollen die Deutschen in-der -Tschechoslowakei, sogar eigene Schulen bekommen. Das bedeute die „volle Gleichberechtigung“ mit den anderen Nationalitäten in der Tschechoslowakei.

Diese Entwicklung geht Hand in Hand mit der immer mehr um sich greifenden Erkenntnis, daß es kein „tschechoslowakisches Staatsvolk“ mehr gibt, sondern daß die Tschechoslowakei ein Vielvölkerstaat ist, der sie immer schon war. In der tschechoslowakischen Presse ist der früher stets gebrauchte Ausdruck „tschechoslowakische Nation“ nicht mehr zu finden. Man liest dort nur noch vom tschechischen und slowakischen Volk. Der von Klement Gottwald gestartete und von Antonin Novotny fortgesetzte Versuch, die tschechische Hegemonie im Zeichen eines alle Nationalitäten einigenden Sozialismus endgültig zu sichern, ist gescheitert. Die Slowaken fordern ihre eigenen nationalen Rechte, nationale Autonomie und Gleichberechtigung.

Hätte sich dieser Geist der vollen Gleichberechtigung schon vor dreißig Jahren in der Tschechoslowakei durchgesetzt, dann wäre es zur Katastrophe von München gar nicht gekommen, und vielleicht auch gar nicht zum zweiten Weltkrieg.

Wieder einmal klingt das Wort „Zu spät“ in der Geschichte.

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