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Nur ein Rädchen

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Tut nichts, der Jude wird verbrannt”, sagt der Patriarch von Jerusalem in Lessings „Nathan der Weise” und schließt damit den Bogen zum zweiten Teil eines bemerkenswerten Theaterabends, nämlich zu den Tonbandprotokollen mit den Eichmann-Verhören in Jerusalem im Jahr 1961.Das 1779 entstandene Aufklärungsdrama mit der klassischen Ringparabel, Lessings im sicheren Bewußtsein göttlicher „Äqui-distanz” verfaßter Appell zur Toleranz, wird in Gerhard Werdekers Inszenierung aktualisiert und dessen Lustspielelemente werden stärker akzentuiert, was der Botschaft nichts von ihrer Gültigkeit nimmt. Peter Geigers Nathan, Jürgen Pfaffingers Sultan, Harald Rupperts Derwisch und Margarete Corners Klosterbruder, vor allem aber das junge Paar von Kristina Bangert und Heinrich Schöpfleuthner verkörpern höchst professionell und spielfreudig ihre Rollen, denen große Vorbilder nicht mangeln. Die Auszüge aus dem zehn-monatigen Verhör des kurz zuvor in Argentinien verhafteten SS-Schergen Adolf Eichmann (Martin Schlager) durch den israelischen Polizisten Ävner Less (Peter Geiger) zeigen einen unsicheren Befehlsempfänger, der sich auch zu diesem Zeitpunkt seiner Schuld nicht bewußt war.„Ich machte mir keine Gedanken” lautete ein Stehsatz dessen, der als oberster Organisator die Judentransporte in die KZs von Auschwitz, Treblinka,Theresienstadt, Lublin verantwortete. Nur bei seinen Erfahrungen mit der Judentötung in der Praxis überkommt ihn das Grauen, ist er über die Verrohung der Durchführenden entsetzt. Eichmanns Absicht, durch diese von ihm selbst gewünschten Verhöre als kleines Rädchen in der NS-Hierarchie entlastet zu werden, läßt nur die Warnung vor „kleinen Rädchen” zu.

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