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Das Ende der Utopie ist das Ende der Kritik

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Eklatanten Mangel an utopischen Perspektiven im aktuellen philosophischen Diskurs, ja geradezu Feindseligkeit diesen gegenüber konstatiert der in Wien tätige Philosoph Rurghardt Schmidt. Analog zur These des französischen Vorreiters der Postmoderne, Jean-Francois Lyotard, daß die großen Erzählungen ausgedient haben, gelte für die Utopien, daß man sich gegenwärtig nur noch mit minimalisierten Varianten begnüge. Den Hintergrund dafür ortet Schmidt in der „merkwürdigen” Argumentationsweise, daß das „Scheitern realisierter Utopieunterdrückung” als Nachweis des „Scheiterns von Gesellschaftsutopie überhaupt” angesehen wird.

Schmidt wertet diese Tendenz negativ, da für ihn die „utopische Funktion” philosophischer Konzeptionen darin liegt, jeweilige Gegenwarten dahingehend zu prüfen, ob sie ihren Selbstansprüchen gerecht werden. Doch gerade diese Interpretation verleitet zur Frage, ob seine grundlegende These, daß „ein Ende utopischer Funktion in Gesellschaft wie in Kultur das Ende aller kritischen Auseinandersetzung bedeuten würde”, nicht am falschen Strang zieht. Denn genausogut gilt, daß jede kritische Auseinandersetzung mit der Gesellschaft bereits eine utopische beziehungsweise idealistische Konzeption in sich tragen muß, ansonsten bestünde ja kaum Anlaß zur Kritik. So geht Schmidts Kritik ihrerseits von der Utopie aus, daß mehr Utopien im philosophischen Diskurs notwendig wären.

Abgesehen von der Selbstreferen-tialität dieses Vorhabens, die letztlich dazu führt, daß er selbst keine utopischen Alternativen anbietet, steht Schmidt auch vor dem Problem, einen kompatiblen Kritikbegriff für die pluralistischen Denkansätze der Postmoderne zu entwerfen. Er bemüht sich gewissermaßen um einen konstruktiven Umgang mit dem De-konstruktivismus. Dementsprechend zwiespältig entpuppt sich sein Kritikbegriff, da er auf „methodische Reweglichkeit” setzt und so erst recht dekonstruktivistisch verfährt.

Zudem formuliert er eigenwillig, was Uneingeweihten Verständnisschwierigkeiten bereiten dürften.

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