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Sprache und Religion

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„Gedanken zu dem Thema: Sprache und Religion“ hieß ein Vortrag, den Universitätsprofessor Dr. Wilhelm Hävers vor der im Rahmen der katholischen Ho c h-schülergemeinde zusammengetretenen Arbeitsgemeinschaft für Studierende der Germanistik hielt.

„Es ist bisher wenig beachtet worden“, so führte Prof. Hävers aus, „welch tiefe Wirkung die Religion auf die Struktur einer Sprache ausübt. Erst die ethy-mologische Bedeutungsforschung eröffnete uns den Zugang zu jenen in gleicher Weise philologischen wie ethnologischen Problemen. Ein besonders charakteristisches Beispiel ist der Einfluß des Glaubens an ein höheres Wesen auf den Bedeutungswandel in den indogermanischen, Spradien. Hier tritt uns das elementare religiöse Gefühl des Menschen in der scharfen Differenzierung zwischen Kult- und Profansprache augenfällig entgegen.“

Anknüpfend an die Forschungen Leopold von Schröders und Prof. Spechts wies Professor Hävers an Hand einer Fülle von Beispielen aus allen indogermanischen Sprachen nach, wie ein Wort durch die Übernahme einer sakralen Funktion auch seine sprachliche Form ändert. Der u-Laut ist zum Beispiel ein häufiges Charakteristikum einer sakralen Wortfunktion. Entgegen gewissen in den letzten Jahren vertretenen Meinungen sehen wir auch durdi die Sprachforschung bestätigt, daß das religiöse Gefühl schon in den Urvölkern lebendig war; das Heilige und darüber hinaus alles mit dem Göttlichen Verwandte auch durch einen besonderen sprachlichen Ausdruck vom Profanen des Alltags zu sondern, kann als ein elementares Bedürfnis erkannt werden.

Aber nicht nur in der Wortstruktur ist der Einfluß der Religion deutlich zu bemerken, sondern auch in der historischen Entwiddung der Sprache selbst; das trifft besonders für den Bedeutungswandel einzelner Wörter zu. Im allgemeinen kann gesagt werden, daß bei Übertragungen von der Profansprache in die Kultsprache eine Bedeutungsverengung, im umgekehrten Fall eine Bedeutungserweiterung eintritt. Auch auf den steten Wandel des lebendigen Sprachgutes hat die Religion, vor allem der religiöse Kultus, eine tiefe Wirkung. Entstehung, Bedeutungswandel* und Ausscheidung religiöser Termini bestimmen Entwicklung und Modulation jeder Sprache im großen Ausmaße mit.

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