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Vergangenheit in der Gegenwart

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Das Erbe des alten Kontinents Europa ist zwiespältig. Bietet es auch Chancen, Antworten auf die Herausforderungen der neuen Zeit zu geben?

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Das Erbe des alten Kontinents Europa ist zwiespältig. Bietet es auch Chancen, Antworten auf die Herausforderungen der neuen Zeit zu geben?

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Historikerweisheit weiser Historiker” nannte Mar-quard eine Art von Geschichtsphilosophie, die in der

Ehilosophischen, reflektierenden etrachtung historischer Ereignisse besteht und seit 1989 Konjunktur feiert. Auch der anerkannte Mediävist Jacques Le Goff leistet mit seinem Essay über europäisches Mittelalter und Moderne einen wichtigen Beitrag.

Le Goff geht es vor allem um die „longue duree”, um die Strukturen der „langen Dauer” in der europäischen Geschichte. So verweist er etwa darauf, daß das benediktinische Klosterwesen die Europäer an Zeitpraktiken gewöhnt habe, die ihnen seit dem Hochmittelalter den Gewinn einer rationellen Zeitverwaltung bringt. Der Autor verfolgt Entwicklungslinien in den Bereichen der Wirtschaft, der Technik, der Politik und der Geistesgeschichte. Die ausgeglichene, flüssig geschriebene Studie vermeidet ideologische Einseitigkeiten. Das Erbe des Mittelalters an die Neuzeit ist für den Mitherausgeber der „Annales” überwiegend positiv. Le Goff ist trotz seiner spürbaren Begeisterung für Europa kein kritikloser Verherrlicher. Einmal spricht er - auch mit Blick auf den Imperialismus - von einem „Henkerkontinent”, der heute unter zwei gefährlichen Krankheiten leide: einerseits unter dem neuen Nationalismus, andererseits unter dem Wiedererstehen des Bassismus und der Mentalität des Ausschließens. Le Goff ist überzeugt, daß aus der Geschichte gelernt werden kann und soll. Die Wirkungslosigkeit des römischen Limes etwa zeige uns Heutigen, „daß keine Mauer in der Lage ist, den Lauf der Geschichte aufzuhalten, und daß sich politische oder kulturelle Gemeinschaften, die sich hinter solchen Mauern abschließen, dadurch nur um so leichter der Überflutung durch jene aussetzen, die sie zuvor weder zu empfangen noch zu integrieren verstanden”.

Es ist immer erfreulich, auf Autoren zu stoßen, die es verstehen, auf knapp 70 Seiten alles Wesentliche zu sagen.

DAS ALTE EUROPA UND DIE WELT DER MODERNE

Von Jacques Le Goff. Aus dem Französischen von Tobias Scheffel C. H. Beck Verlag, München 1994. 68 Seiten, öS 141,-.

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