Das große Geschäft mit dem Bauplan der Natur

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"Die Patente lagern sich wie ein Heuschreckenschwarm über ein Land, belästigen Handel und Verkehr, verteuern die Bedürfnisse der Konsumenten. In einer absoluten Art vermindern Erfindungspatente die Produktivkraft der Völker, die sie anerkennen." Die beiden Sätzen entstammen nicht einer Klage eines Drittweltlandes oder einer NGO, sondern einem Schreiben aus dem Jahre 1883, das von führenden Schweizer Industriellen verfasst wurde. Einer der Unterzeichner ist Johann Rudolf Geigy-Merian von der Firma J. R. Geigy, ein Vorläufer von Ciba-Geigy, heute: Novartis und Sygenta.

Das Wissen, über das man in Michael Freins und Hartmut Meyers Buch "Die Biopiraten" stolpern kann, ist manchmal verblüffend. Und "stolpern" ist insofern auch das richtige Wort, weil man nie genau weiß, wie die Erzählung weitergeht - das Buch ist mithin ein wenig undurchsichtig aufgebaut. Dafür wird der Leser mit viel Information belohnt. Etwa mit einem Exkurs in die Geschichte der deutschen Produktpiraterie. Man kopierte und produzierte Billigware. So schaffte man es bis Ende des 19. Jahrhunderts, das wirtschaftlich fortschrittliche Großbritannien einzuholen.

Heute hingegen setzt man sich für ein striktes Patentrecht ein und versucht, Plagiatoren abzustrafen - das ist nur strategisch konsequent, schließlich kann man so als hochentwickeltes Land mehr gewinnen. Und mit dem TRIPS-Abkommen von 1995 ist das Patentrecht (fast) global gültig geworden. Konkret sollen dadurch - so Ökonomen der Weltbank - Mehrzahlungen für Lizenzgebühren von 60 Milliarden US-Dollar im Jahr für die Entwicklungsländer anfallen. Die Gewinner sind also die reichen Industriestaaten. Ja, sie sind doppelte Gewinner, weil sie es geschafft haben (zumindest bis jetzt), dass Biopiraterie gleichzeitig nicht geahndet wird. Das Thema wird von den Industriestaaten in Diskussionen um das TRIPS-Abkommen gezielt umschifft. Explizit thematisiert wird der Raub des "grünen Goldes" hingegen in der "Konvention über biologische Vielfalt". Effektive Mittel für die Ahndung von Regel-Verstößen gibt hier aber nicht. Auch ist es speziell in Europa nicht gelungen, Ideen aus der Konvention in EU-Recht überzuführen.

An prominenten Fällen von Biopiraterie - wie etwa dem Neem-Baum, Basmati-Reis und Kurkuma (der gelbe Stoff im Curry) - zeigen die Autoren einzeln und konkret, wie Weltpolitik gemacht wird: Es geht um viel Macht und viel Geld, nicht aber um Gerechtigkeit. (tm)

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