Entwurzelt und doch verwurzelt

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Erinnern Sie sich noch an die Jaffa-Orange? In meiner Kindheit waren die saftigen Früchte mit dem Aufkleber "Jaffa" Sinnbild für einen exotischen Ort, an dem ständig die Sonne scheint. Heute wohne ich selbst in der Altstadt von Jaffa. Meine Nachbarn sind jüdische Israelis, christliche Araber und muslimische Palästinenser. Die berühmten Orangen-Haine sind längst Geschichte. An sie erinnert der "hängende Orangenbaum".

Der Künstler Ran Morin hat das Wurzelwerk eines Orangenbaums mitsamt der Erde einbetoniert. Und den Baum, bewässert über Schläuche, etwa einen Meter über dem Boden an einem steinernen Eingangstor zu Alt-Jaffa aufgehängt. Hier lebt er jetzt in einem gleichsam ent-und verwurzelten Zustand zwischen Gebäuden weiter. Ich komme fast täglich vorbei. Jedes Mal steht eine Reisegruppe davor. Die erste Gruppe, unter die ich mich gemischt habe, hörte von ihrem Guide: "Das Kunstwerk soll als Symbol für die Entwurzelung der arabischen Bevölkerung verstanden werden, die von hier 1948 nach der Ausrufung des Staates Israel vertrieben wurde." Beim nächsten Mal erzählte eine andere Reiseleiterin: "Wir sehen in dem entwurzelten Baum ein Sinnbild für das Schicksal des jüdischen Volkes, das viel zu lange heimatlos war."

In diesen Tagen jährt sich der Teilungsplan der UN-Generalversammlung für Palästina zum 70. Mal. Er sollte den Konflikt zwischen jüdischen und arabischen Bewohnern lösen, in dem er das britische Mandat beendet und einen Staat für Juden sowie einen für Araber schafft. Der hängende Orangenbaum steht auch dafür, dass der Konflikt weiterlebt, sich verwurzelt hat. Persönlich sehe ich das Kunstwerk als Aufforderung, diese Widersprüche wahrzunehmen, auszuhalten und zu akzeptieren. Und nicht zulassen, dass dieser Konflikt weiterhin alles untergräbt.

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