Flügelschlag des Schmetterlings

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Man kann schon einen bitteren Zorn kriegen über das, was derzeit so auf der Welt passiert: die Flüchtlingskatastrophe im Sudan, Terroranschläge von Russland bis Israel, geschändete Kinder weltweit und die Krebskrankheit der freundlichen Nachbarin. Ich rede oft mit meiner Frau darüber, was wir dagegen tun könnten, außer spenden für die Fernen und da und dort ein gutes Wort für die Hiesigen. Aber wir finden keine brauchbare Antwort, und alle anderen, mit denen wir darüber reden, auch nicht - außer dass die Mächtigen unbedingt eingreifen und was tun müssten.

Neuerdings habe ich aber den Verdacht, dass auch ich, obwohl ich mich für machtlos halte, Mitschuld am Leiden der Menschen haben könnte, zum Beispiel durch meine alltägliche Boshaftigkeit, die ich in meiner Sündhaftigkeit immer wieder - willentlich wie unabsichtlich - meine Mitmenschen spüren lasse. Nach der Chaostheorie können ja kleinste Ereignisse unvorhersehbar große Wirkungen auslösen, kann also der Flügelschlag eines Schmetterlings irgendwo auf der Erde einen Hurrikan provozieren. - War vielleicht gar einer der Kohlweißlinge in unserem Garten für die Zerstörungen des Hurrikans in Florida verantwortlich? Wenn er's sein kann, dann Gnade mir Gott ob meiner Verantwortung für den schlimmen Zustand der Welt und zweifellos auch jener vieler anderer Menschen in unserem Wohlstandsland.

Die Konsequenz liegt auf der Hand: Ich muss ein besserer Mensch werden. Vielleicht trägt dann mein (metaphorischer) Flügelschlag ein wenig zur Linderung des Leides im Sudan, zur Eindämmung der Gewalt in Russland, zum Frieden in Israel, zur Achtung der Kinder bei - wenigstens um jenes Quäntchen, um welches er jetzt die Bitternis vermehrt.

Der Autor ist Wissenschaftlicher Direktor der Joanneum Research Forschungsgesellschaft in Graz.

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