... im Erdbeben-Dschihad

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Doch seit dem Erdbeben führen die Rebellen einen anderen "Heiligen Krieg".

Der Beginn des neuen Jahres in "Azad Jammu und Kaschmir", dem "freien" Kaschmir unter der Kontrolle Pakistans, lud nicht zum Feiern ein: Drei Tage schüttete es, in den Bergen fiel Schnee, die Armee musste Versorgungsflüge aussetzen. Mühsam geräumte Straßen wurden wieder durch Steinlawinen blockiert, Dörfer von der Umwelt abgeschnitten.

"Die Route ins Neelum-Tal wurde durch einen Erdrutsch verschüttet", berichtet Javed Iqbal Khawaja, Rechtsanwalt und Funktionär von "Jamat-i-Islami", einer in ganz Pakistan religiös-sozial-politisch tätigen Organisation. Er ist als Generalsekretär für Stadt und Distrikt Muzaffarabad zuständig und derzeit im Dauereinsatz. "Andere Straßen sind durch Schnee unpassierbar."

Internet-Chat-Kontakt

"Jamat-i-Islami" betreut 18 Zeltlager im Distrikt Muzaffarabad. Javed Khawaja, der neben seiner politischen Tätigkeit eine private Schule leitet, hat sich in den letzten drei Tagen nur wenige Stunden ausruhen können. Trotzdem nimmt er sich spät abends Zeit für einen Internet-Online-Chat mit der Furche: "Ich bin jetzt zu Hause ..." - in einem Zelt auf dem Grundstück eines zerstörten Hauses. Ein Stromkabel hat das Beben überstanden, an ihm hängen Laptop, Lampe und Radio. "Nachrichten und ein bisschen Musik sind wichtig." Heizung gibt es keine, in voller Kleidung trotzt Khawaja im Schlafsack der Kälte.

"Der starke Regen und der nasse Schnee machen den Menschen schwer zu schaffen", sagt er. Die Sommerzelte sind für den Winter ungeeignet; die dünnen Planen saugen sich schnell voll und halten der Schneelast nicht stand. Diese Zelte sind nicht beheizbar. Wegen unsachgemäßen Umgangs mit offenem Feuer kamen mehrere Lagerbewohner ums Leben, meistens Kinder. Heizt man nicht, droht Tod durch Erfrieren oder Lungenentzündung. Khawaja kämpft mit seinem Team hartnäckig gegen den Winter. Wie andere ngos und lokale Behörden verteilt Jamat-i-Islami verzinkte Wellbleche, die dem Schnee standhalten und sich für Dachkonstruktionen beheizbarer Notunterkünfte eignen. Zehn Stück Blech braucht man für das Dach eines fünf mal fünf Meter großen Raums.

Da in den Bergen von Kaschmir der Winter lange dauert, legt man schon früh im Jahr Holzvorräte an. Das Erdbeben hat aber oft auch diese Vorräte vernichtet. "In den Lagern heizen einige mit Kohle", sagt Khawaja, "andere verbrennen alte Kleider. Wer weder Kohle noch Holz noch alte Fetzen zum Verbrennen hat, schläft unter Schichten von altem Gewand."

Mehr Dächer für Moscheen

Jamat-i-Islami hat Decken und Matratzen verteilt. Die Hilfsgüter reichen aber immer noch nicht für alle. Für Eisenbleche gibt es Lieferengpässe. "Dabei leben in den Dörfern meines Distrikts noch zwei Drittel der Menschen in Zelten", berichtet Khawaja. "In der Stadt sind es bis zu 90 Prozent". Sein Ziel ist es, in den nächsten Tagen mit Hilfe lokaler Mitarbeiter - alle wie er ehrenamtlich tätig - weitere winterfeste Notunterkünfte zu errichten. 1500 Stück Blech stehen zur Verfügung. "Davon sind 500 Bleche für Schulen geplant, 400 für Feldspitäler und 600 für Moscheen!"

Ursprünglich war pro Großfamilie - Großeltern, Eltern, Kinder - je eine Hütte gedacht. "Das ist jetzt anders", seufzt Khawaja. "Weil viele Zelte unter dem Schnee zusammengebrochen sind, weichen die betroffenen Familien zu Freunden aus. Im Moment schlafen in einer Notunterkunft fünf oder sechs Familien!"

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