Über das explosive Gemisch an Motiven, die Massenmörder wie jenen an der Virginia Tech vor zwei Wochen bewegen mögen, wird in Amerika noch immer heftig debattiert. Warum vor allem bei uns? Warum an Unis? Warum 20mal jährlich? Die "entsicherte Gesellschaft" (© Rudolf Mitlöhner) verschreckt auch abgebrühte Zeitgenossen. Dass extremer Waffenfetischismus und "Serien-Killer in (täglichen) Killer-Serie(n)" (© Theo Faulhaber) damit zu tun haben könnten, dämmert allmählich (aber garantiert konsequenzlos) auch Analytikern in "Gottes eigenem Land".
Aber da ist noch ein Argument, das der Strafrechtsprofessor James Alan Fox von der Northeastern University aussprach: "Die Vereinigten Staaten werden immer stärker eine Jeder-frisst-jeden-Gesellschaft, in der rücksichtslose Konkurrenz dominiert. Wir bewundern alle, die um jeden Preis etwas erreichen, und fühlen immer weniger mit jenen, die auf der Strecke bleiben. Das nährt Frustration bei den Versagern."
Moment einmal: Gilt das nur für die USA? Wächst nicht auch bei uns die Überzeugung, jeder sei seines eigenen Glückes oder Unglücks Schmied? Wer im gnadenlosen Wettbewerb unterliegt, hat Pech gehabt. Sozialschmarotzer gehören ausgesondert, nicht durchgefüttert. Warum sperren Geschäfte noch immer nicht siebenmal 24 Stunden die Woche auf? Schwarze Bilanzzahlen genügen nicht - sie müssen schwärzer als beim Konkurrenten sein! Da können schon einmal auch Allianzen mit Schakalen und Hyänen nötig werden.
Gewiss, das alles gebiert noch keine Serienmörder. Aber es verdirbt den Charakter. Wettbewerb ist unverzichtbar, ist in Europa allzu lange vernachlässigt worden. Aber ebenso notwendig ist Teamarbeit, Kooperation. Konkurrenz ist keine Gottheit, die nach Menschenopfern dürstet. Rücksichtslosigkeit ist irrsinnig ansteckend.