"Polarisiert wie zu Zeiten des Kommunismus"

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Piotr Nowina-Konopka und Adam Szostkiewicz: Einst Gefährten der Kaczynskis, doch heute sprechen Polens politische Spitzen und sie verschiedene Sprachen.

Die Furche: Herr Szostkiewicz, Herr Nowina-Konopka, Sie sind über Europa hinaus bekannte Stimmen für ein anderes Polen als das heutige: ein Polen, das seine Zukunft in der EU, in der Aussöhnung mit Deutschland, in der Ablehnung von Radikalismen aller Art usw. sieht. - Was ist los in Polen, dass Ihre Stimmen jetzt von gegenteiligen laut übertönt werden?

Adam Szostkiewicz: Präsident und Premier Kaczy\0xB4nski und ihre Partei "Recht und Gerechtigkeit (PiS)" haben die totale Kontrolle über die polnische Innen-wie Außenpolitik; und sie gerieren sich so, als ob nur sie für Recht und Gerechtigkeit stehen. Dieser Alleinvertretungsanspruch rührt daher, dass PiS lange marginalisiert war. Bei den Kaczynskis hat sich dadurch eine spezielle Mentalität aus extremem Misstrauen und extremer Radikalität entwickelt. Und das haben sie in die Regierung gebracht. In einer reifen Demokratie könnte man erwarten, dass sich diese extremen Positionen in der Regierungsarbeit abschwächen. In Polen ist das jedoch nicht der Fall: Die Kaczynskis sind nicht weniger radikal, nicht weniger misstrauisch geworden.

Piotr Nowina-Konopka: Adam und ich gehören zur selben politischen Generation, und beide Brüder Kaczynski waren unsere Weggefährten, unsere Mitstreiter. Lech Kaczynski, heute polnischer Präsident, war mein Kollege auf der Universität, er unterrichtete Jus, ich war Professor für Wirtschaft. Wir waren sehr gute Freunde und haben beide in den 1980ern im Untergrund gegen den Kommunismus gekämpft. Und heute? Heute sprechen wir nicht mehr die gleiche Sprache.

Die Furche: Grund dafür, sagt Herr Szostkiewicz, sei dieses latente Misstrauen in der politischen Führung - wie äußert sich das?

Szostkiewicz: Ihre fixe Idee, mit der sie auch an die Macht gekommen sind, ist: das Netzwerk, oder wie sie sagen, den "Filz" aus einigen Wirtschaftsleuten, einigen Politikern, einigen Journalisten zu zerschlagen. Sie haben für sich den Teufel definiert - und um den auszutreiben, dafür sind sie angetreten. Aber wie geht das mit einer modernen Demokratie zusammen? Die riesige destruktive Energie, die sie aufbringen, um die Säulen der Dritten Republik, die sie zutiefst verabscheuen, zu zerstören, besorgt mich sehr.

Nowina-Konopka: Was mich ermutigt und warum wir nicht verzweifeln brauchen, ist die Ablehnung dieser Politik in der Bevölkerung. Wie steht es mit der Popularität unseres Präsidenten nach einem Jahr Amtszeit? 20 Prozent sind noch für ihn - das ist nicht gerade berauschend. Ich bin überzeugt, die junge Generation wird bald sagen: Basta!

Szostkiewicz: Aber junge Leute fragen sich heute auch: Sollen wir gehen oder bleiben? Diese Frage haben wir die letzten 20 Jahre in diesem Land nicht gehört. Das "tricky" Geschäft dieser Regierung lautet: antagonisieren und polarisieren großer Teile der Gesellschaft - sie haben damit erreicht, was wir in den letzten Jahren des Kommunismus erlebt haben: dieses Gegeneinander, diese Sprache von Wir und Ihr, diese üble Sorte nationaler Angst.

Das Gespräch redigierte Wolfgang Machreich.

wird nächste Woche fortgesetzt.

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