Raus aus der Identitätsfalle

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Fortsetzung der "Kampf der Kulturen"-Debatte (furche Nr. 6/2007). Der Mensch hat mehr als eine kulturelle oder religiöse Identität, argumentiert Amartya Sen.

Während einer Demonstration gegen die Apartheid im früheren Südafrika trieb ein Trupp weißer Polizisten schwarze Demonstranten auseinander und verfolgte sie. Plötzlich verlor eine schwarze Frau einen Schuh; der Polizist, der mit einem Gummiknüppel in der Hand hinter ihr herlief, folgte automatisch seinen guten Manieren, hob den Schuh auf und überreichte ihn der Frau. Nach dieser Szene war es dem Polizisten unmöglich, weiter hinter der Frau herzulaufen und mit dem Knüppel auf sie einzuschlagen - stattdessen drehte er sich, nachdem er ihr höflich zugenickt hatte, um und ging davon … Der slowenische Philosoph Slavoj Cizek erwähnt diese Geschichte in seinen Vorträgen und Büchern, wenn es um die "magische Aufhebung symbolischer Barrieren" geht.

Diese Begebenheit aus dem Südafrika der Apartheid-Zeit passt aber auch hervorragend zu dem Anliegen, dass der Harvard-Professor und Nobelpreisträger Amartya Sen in seinem jüngsten Buch Die Identitätsfalle vertritt. Weil die alleinige Festlegung der Identität eines Menschen auf Kultur oder Religion zu kurz greift, ist Sens Antwort auf die Frage, warum es keinen Krieg der Kulturen gibt. So wie der südafrikanische Polizist auch ein Gentleman war, so sind alle Menschen von vielerlei Identitäten geprägt. Sen wehrt sich, gut argumentiert, gegen die Verkürzung des Menschen auf eine einzige Identität und kritisiert sowohl die "Krieg der Kulturen"-wie die "Dialog der Kulturen"-Prediger, die - oft gut gemeint - demselben unheilvollen Schubladendenken verfallen. WM

DIE IDENTITÄTSFALLE

Warum es keinen Krieg der Kulturen gibt. Von Amartya Sen

C.H. Beck Verlag, München 2007,

208 Seiten, geb., € 19,90

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