Unrechtsakt zerstört Kinderleben

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Samyan Manteghi, acht Monate alt - und schon gefangen

im Asylrechtsdschungel.

Der erste Eindruck kann auch täuschen: freundliche Begrüßung, nette Wohnung, klein zwar, bescheiden zwar, aber sauber, ordentlich, mit Liebe eingerichtet; und ein kleiner Bub mittendrin: Samyan Manteghi, acht Monate alt, neugierig, aufgeweckt, so einer sofort zum Knuddeln. Doch die Idylle wird in dem Augenblick jäh zerstört, in dem die Mutter Natalia Manteghi zum Erzählen anfängt: Sie wisse weder ein noch aus, wenn das so weiter geht, "dann sperr ich mich hier ein - dann sollen sie uns doch verhungern lassen".

Neben der Kleiderkommode in der Wohnung lehnt ein gerahmtes Hochzeitsfoto: Braut und Bräutigam, zwei strahlende Gesichter; wenige Jahre und viele Enttäuschungen später hat Frau Manteghi heute mit diesem Bild aus glücklichen Tagen nichts mehr gemeinsam: "Ich bin müde", sagt die gebürtige Moldawierin, die seit 2002 rechtmäßig in Österreich lebt und arbeitet, "wenn Samyan nicht wär', ich hätt' das Ganze nicht durchgestanden..."

Verfolgt wie Jesus Christus?

"Das Ganze" hat mit Natalia Manteghis Risikoschwangerschaft im letzten Jahr angefangen. Im Jänner dieses Jahres ist dann Samyan zur Welt gekommen - sechs Wochen zu früh, doch der Bub ist mittlerweile körperlich pumperlgsund. Im Gegensatz zu seiner rechtlichen Situation - die ist äußerst angespannt: Sein Vater, ein anerkannter Flüchtling aus dem Iran, stellte für seinen Sohn einen Asylerstreckungsantrag - das bedeutet: der Flüchtlingsstatus des Vaters sollte auch auf den Sohn ausgeweitet werden. Doch dieser Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, das Kind werde im Iran nicht verfolgt!? Dass schon ein Neugeborenes mit den Behörden in Konflikt kommt und verfolgt wird, hat es zwar seit der Flucht der Heiligen Familie von Betlehem nach Ägypten nicht mehr gegeben, doch das hinderte das Bundesasylamt nicht, bei Samyan die gleichen Kriterien anzulegen und ihm deswegen nur den "Status des subsidiär Schutzberechtigten" zuzuerkennen.

Status weg, Beihilfen weg

"Eine Ausgeburt der österreichischen Rechtsordnung", kritisiert die grüne Menschenrechtssprecherin Terezija Stoisits im Gespräch mit der Furche diese Vorgehensweise. Für einen anderen Asyl-und Fremdenrechtsexperten ist der Samyan-Bescheid "eindeutig rechtswidrig"; da die Familie jedoch aus Unwissenheit die Berufungsfrist verstreichen ließ, ist das Dokument rechtskräftig. Wirklich zum Problem wird dieser "subsidiäre Schutzstatus" aber, weil nach den Änderungen im Familienlastenausgleichs-und Kinderbetreuungsgeldgesetz dieses "kleine Asyl" (\0xA9 Stoisits) nicht als Niederlassung gilt, weshalb man für Frau Manteghi den Bezug der Familienbeihilfe eingestellt hat und sie aufgefordert wurde, die "fälschlicherweise" bezogene Beihilfe zurückzuzahlen.

"Was kann Sohn für Vater?"

Um dem drohenden Familienkonkurs zu entgehen, hat Natalia Manteghi daraufhin wieder als Verkäuferin zu arbeiten begonnen; ihr Mann, seit langem arbeitslos, passte auf Samyan auf. Doch Amir Manteghi ist "die Decke auf dem Kopf gefallen", erzählt seine Frau. Er wollte raus, wollte etwas verdienen - und ist dabei auf die schiefe Bahn geraten. Am 26. Juni um sechs Uhr in der Früh hat ihn die Polizei wegen Drogendelikten abgeholt und auf unbestimmte Zeit ins Gefängnis gesteckt - "Ich wollte in die Arbeit gehen", sagt Frau Manteghi, "doch dann musste ich bei Samyan bleiben - was kann denn er dafür, dass sein Vater jetzt im Gefängnis sitzt?"

Ohne Betreuungsplatz für das Kind kann die Mutter keine Arbeit annehmen; und ohne Arbeit und ohne jegliche soziale Unterstützung stehen die beiden vor dem Nichts. In einer Beratungsstelle wurde Frau Manteghi mitgeteilt, sie solle doch mit ihrem Sohn in Schubhaft gehen - da wären sie wenigstens versorgt. "Und dann", fragt die Mutter, "soll ich mein Kind in einen Flieger geben und in den Iran schicken?"

Hoffnung Bundespräsident

"Diese Frau ist absolut legal im Land, hat gearbeitet, würde wieder arbeiten, wenn sie Betreuung für ihr Kind findet - und trotzdem fällt sie um jede Grundversorgung um", klagt Stoisits über diese Asylgesetze, "die Menschen vorsätzlich zu echten Almosenempfängern machen."

Der subsidiäre Schutzstatus muss weg und Samyan wird auf den legalen Aufenthaltstitel von Natalia Manteghi umgeschrieben - so einfach wär's: Die Mutter bekommt dann wieder Familienbeihilfe, kann sich eine Tagesmutter oder eine Kinderkrippe leisten, kann wieder arbeiten... Aber bei dieser Gesetzeslage braucht es dazu "die besten Anwälte der Welt", sagt Stoisits. Vielleicht reicht auch schon der österreichische Bundespräsident - an den hat sich jetzt die Caritas-Sozialberatung gewandt: "Nachdem es keine anderen Rechtsmittel mehr gibt, können nur Sie, Herr Bundespräsident, intervenieren."

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