Der Journalist Juraj Alner (Jahrgang 1937) besitzt nach wie vor einen tschechischen und einen slowakischen Reisepass. Und auch in seiner Brust schlagen noch beide Herzen - in der Trennung der beiden der Staaten sieht er aber nur Vorteile.
Die Furche: Sie sind stolzer Besitzer eines tschechischen und eines slowakischen Reisepasses. Wie kam es dazu?
Juraj Alner: Ja, ich bin stolz darauf, dass ich kurz nach dem Zerfall der Tschechoslowakei in beiden Ländern die Staatsbürgerschaft bekommen habe. Es war eine Zeit der Spaltung in der Mitte Europas. Einige slowakische Politiker sagten damals, "wir wollen in die Europäischen Gemeinschaft auf direktem Weg und nicht über Prag". Ich war damals eher der Meinung, es sollte "mit Prag" und nicht "über Prag" dieser Weg beschritten werden.
Die Furche: Sie leben in Bratislava. Fühlen Sie sich eher als Slowake denn als Tscheche?
Alner: Mein Vater wurde in der Nordslowakei geboren, meine Mutter und ich wurden in der Tschechischen Republik geboren. Ich beherrsche beide Sprachen gleichermaßen, beide Kulturen sind mir vertraut. Ich fühle mich als Mitteleuropäer. Meine Verwandten lebten in der Slowakei, aber auch in Wien, Budapest, Karlsbad, Prag …
Die Furche: Würden Sie von einer gelungenen Scheidung der beiden Länder sprechen?
Alner: Gelungen in vielerlei Hinsicht. In der Kultur oder Wissenschaft hat es sogar überhaupt keine Scheidung gegeben, die Zusammenarbeit ist so wie früher. Weder Prag noch Bratislava müssen die Sorgen des Nachbars mit sich schleppen. Wo wir durch die Scheidung noch gewonnen haben: Nun haben wir in der EU zwei Kommissare, bei der Weltmeisterschaft zwei Eishockey- und zwei Fußballmannschaften.
Die Furche: Was sind die größten bisher ungelösten Probleme?
Alner: Sehr wichtig ist, dass es relativ schnell gelungen ist, die demokratischen Strukturen aufzubauen. In deren Rahmen ist zwar Platz für große Korruption und für Manipulationen, sowohl in der Regierung als auch in der regionalen Politik. Aber die Prinzipien sind unumstößlich. Auch dank der Mitgliedschaft in der EU und in der NATO.
