Auch Fundamentalismus kann bunt sein

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Mit dem Fundamentalismus kann man sich alle Probleme einfacher machen. Das ist wahrscheinlich auch der ursprüngliche Zweck des Fundamentalismus. Man kann sich mit dem einen identifizieren, man kann den anderen ablehnen, man kann zwischen Gut und Böse, zwischen Richtig und Falsch unterscheiden. Wichtig ist, daß die Sachen einfacher und klar werden.

Unlängst hat ein sephardischer (besonders konservativer) Großrabbiner in Jerusalem die Verwendung des umstrittenen Medikamentes Mifegyne erlaubt. Daraufhin hat die Knesset mit den Stimmen der Konservativen (also auch derer, die man als religiöse Fundamentalisten bezeichnen würde) Mifegyne für Israel zugelassen. Die Sache ist einfach: Gesetz ist, gut und zulässig ist, was dem Leben nützlich ist. Das ist eine ganz einfache Vorschrift ohne weitere Komplikationen. Natürlich muß jedes ärztliches Rezept weiterhin vom Rabbiner genehmigt werden, aber das ist zweitrangig. Mifegyne kann dem Leben nützlich sein, deswegen ist es zuzulassen. Punkt. So die Argumentation.

Die Abwehr verschiedener Einschätzungen von "Leben" ist dabei zunächst nicht enthalten. Aber darum geht es dieser Argumentation auch nicht. Beabsichtigt ist ja nur die ethische Grundsetzung, das ethische Prinzip, was eben prinzipiell möglich und erlaubt ist, und was nicht.

Und da zeigt sich, daß der Fundamentalismus gerade von seiner spezifisch fundamentalistischen Seite her - das heißt: religionsunabhängig, vereinfachend, klar und eindeutig - durchaus in der Lage ist, von einem einzigen ethischen Grundsatz aus einen ganzen Bereich von Problemen abzudecken.

Gleichzeitig zeigt sich hier aber, daß eine solche Argumentation auch ein grundsätzliches Ja zu diesem umstrittenen Medikament ermöglicht.

Die Fundamentalisten, oder als was immer sie sich bezeichnen, jedenfalls die, die eine gerade und eindeutige ethische Urteilsfindung so betonen, sollten sich Gedanken machen: Was bedeutet es, daß ausgerechnet dieser Fundamentalismus zu unterschiedlichen Entscheidungen in der Lage ist, daß also die ethische Urteilsfindung gar nicht so einfach ist? Gerade der Versuch, die Sache einfacher zu machen, führt letztlich nicht zur Einfachheit, sondern zur Vielfalt.

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