CETA: Angst vor TTIP durch die Hintertür
Selbst im Falle des Scheiterns von TTIP könnte CETA zur Absenkung von europäischen Umwelt- und Konsumentenstandards führen - und das weitgehend unbemerkt.
Selbst im Falle des Scheiterns von TTIP könnte CETA zur Absenkung von europäischen Umwelt- und Konsumentenstandards führen - und das weitgehend unbemerkt.
Seit Jahren wird über CETA verhandelt, ratifiziert ist der Vertrag noch immer nicht - schließlich handelt es sich bei dem Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada um den Präzedenzfall für künftige EU-Handelsabkommen. Doch Inhaltliches konnte die Öffentlichkeit erst durch Leaks erfahren, die Liste der Bedenken ist lang.
Knackpunkt Schiedsgerichte
Wie auch bei TTIP enthält CETA die gefürchteten Investor-Staat-Schiedsstellen (ISDS). Dadurch hätten Konzerne die Möglichkeit, Staaten zu klagen, wenn sie meinen, dass ein Gesetz ihre Profite beeinträchtigt. Durch die Aushebelung des europäischen Vorsorgeprinzips könnten genmanipulierte Lebensmittel und in der EU bisher nicht zugelassene Pestizide den EU-Markt erreichen. Änderungen des Vertragstextes könnten ohne ausreichende parlamentarische Beteiligung erfolgen, negative Langzeitfolgen nur unszureichend vorausgesehen werden. Außerdem würde der Liberalisierungsdruck die Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge gefährden. Wäre CETA erst einmal beschlossene Sache, gäbe es kaum mehr Möglichkeiten, derartige Knackpunkte aus künftigen Abkommen - allen voran TTIP -fernzuhalten.
Denn CETA wird als Einstiegsticket für TTIP, das Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU, betrachtet. Über 40.000 US-Niederlassungen befinden sich schließlich in Kanada. Von Populismus, Angst und Panikmache spricht indessen IV-Generalsekretär (Industriellenvereinigung) Christoph Neumayer. Als "TTIP durch die Hintertür" will er CETA nicht gelten lassen: "CETA ist ein separat verhandeltes Abkommen, das Zölle abbaut und den kanadischen Beschaffungsmarkt für europäische Unternehmen öffnet." Laut einer Studie des FIW (Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft) könnten die heimischen Exporte nach Kanada dank CETA über acht Jahre um 50 Prozent zunehmen. So hat sich Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) letzte Woche mit vier weiteren EU-Staaten für die umstrittenen EU-Schiedsgerichte eingesetzt.
Kritische Bürgerinitiativen
Inzwischen hat sich die Bürgerinitiative "TTIP Stoppen" formiert, zu deren Unterstützern Attac, Global 2000, Südwind, die PRO-GE (Produktionsgewerkschaft) und die ÖBV (Österreichische Bergund KleinbäuerInnen-Vereini gung) gehören. Attac kritisierte wiederholt, dass große Konzerne von derEU-Kommission hofiert werden würden, während NGOs kein Mitspracherecht haben. Letzte Woche erfolgte der Startschuss für die Sammlung der Unterstützungserklärungen für das Volksbegehren "Gegen TTIP, CETA und TiSA". Bis Ende Juli müssen 8500 Unterschriften vorliegen.
Laut Fahrplan soll CETA im September von den EU-Ländern abgestimmt und im Oktober unterzeichnet werden. Danach soll es dem EU-Parlament zur Abstimmung vorgelegt werden. Auch wenn bei Konsumentenschützern und besorgten Bürgern die Kritik nicht verstummen mag: Zumindest bei den Konzernen auf beiden Seiten des Atlantiks ist die Stimmung hoffnungsvoll.