Christliche Philosophie, gegenwärtig

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Sprachphilosoph, Dialogpartner der Psychoanalyse, Atheismus- und (philosophischer) Gottesforscher: A. K. Wucherer-Huldenfeld kommen viele Attribute zu.

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Sprachphilosoph, Dialogpartner der Psychoanalyse, Atheismus- und (philosophischer) Gottesforscher: A. K. Wucherer-Huldenfeld kommen viele Attribute zu.

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Ursprüngliche Erfahrung und personales Sein": Die eigentliche Mitte seines philosophischen Anliegens hat Augustinus Karl Wucherer-Huldenfeld selbst mit dem Titel seines zweibändigen Hauptwerkes (1994/1997) besonders prägnant benannt. In der Tat versammeln sich die breitgefächerten philosophischen Motive zwanglos um dieses philosophische Grundthema, das in jahrzehntelanger Auseinandersetzung mit dem Erbe der philosophischen Tradition - jenseits kurzatmiger Moden - immer deutlichere Konturen gewonnen hat und zu eigenständiger Gestalt gereift ist.

Wucherer-Huldenfeld hat jenem Grundthema eine innere Strukturierung verliehen, die auch recht deutlich sein Verständnis der maßgeblichen Aufgaben einer gegenwärtigen Christlichen Philosophie widerspiegelt. Insbesondere sind zu nennen * seine vielfältigen Bemühungen um eine angemessene Grundlegung der philosophischen Anthropologie; * seine umfangreichen Analysen zu den weltgeschichtlich bestimmenden Ausprägungen der Religionskritik und zur Atheismusforschung; * die in immer neuen Anläufen in seiner Philosophischen Theologie (und Religionsphilosophie) unternommene Freilegung und Entfaltung der philosophischen Gottesfrage.

In der philosophischen Grundorientierung weiß sich Wucherer-Huldenfeld vor allem den philosophischen Motiven des "dialogischen Personalismus" verpflichtet und verknüpft dies mit von Martin Heidegger nachhaltig inspirierten phänomenologischen Perspektiven. Dies bestimmt den weiten Horizont seines Denkens.

Wucherer-Huldenfelds "personal-dialogisches Seinsdenken" beseelt und hält - in Ablehnung einer Zersplitterung der philosophischen Disziplinen - alle anderen genannten Themenkreise zusammen und fungiert zudem als kritischer Maßstab gegenüber Kurzschließungen und traditionellen philosophischen Verengungen im Verständnis menschlicher Wirklichkeit.

Ferdinand Ebners Erbe Eindrucksvoll tritt dies in der für seine Denkweise maßgebenden Entfaltung des "personal-dialogischen Daseinsverständnisses" zutage, das "das Sein der Personen im Ereignis der Begegnung bzw. des Dialogs ... zu verstehen sucht und damit den Sinn von Sein im Füreinander-Dasein (also als die Liebe) bestimmt".

Wucherer-Huldenfeld konnte in dem damit verbundenen Aufweis der "Sprachlichkeit als der Grundverfassung des Daseins" maßgebliche Denkspuren des bedeutenden (obgleich stets im Schatten Ludwig Wittgensteins bleibenden) österreichischen Denkers Ferdinand Ebner (1882-1931) in produktiver Weise aufnehmen. Er verdankt dieser besonderen Vertrautheit auch entscheidende Impulse für sein freilich ins "Daseinsganze" verweisendes Sprachdenken. Wucherer-Huldenfeld - wohl einer der besten Kenner des Werkes von Ferdinand Ebner - hat ihm 1985 auch die wichtige Monographie "Personales Sein und Wort" gewidmet.

Daseinsanalyse Beachtenswert ist auch sein Bemühen, von jenem "personal-dialogistischen Daseinsverständnis" ausgehend das interdisziplinäre humanwissenschaftliche Gespräch - vor allem in psychologisch-psychiatrisch-medizinischen Problemfeldern - zu suchen. Dabei bleibt stets auch das kritisch-maßgebende Anliegen des Jubilars erkennbar, anthropologische Defizite - gewiß auch gegenüber einem "technomorphen" Mißverständnis von Psychoanalyse und -therapie - zu korrigieren.

In solcher Absicht sind gleichermaßen seine Analysen zur pränatalen Psychologie wie auch seine kritische Auseinandersetzung neueren Entwicklungen der Psychoanalyse zu würdigen. Besondere Anerkennung verdient vor diesem Hintergrund auch sein Engagement um die (aus einer Synthese von Psychoanalyse und Heideggers Auslegung des Menschen als "Dasein" entwickelte) "Daseinsanalyse". Wucherer-Huldenfeld ist seit dem Jahr 1990 Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Daseinsanalyse und hat zweifellos ganz besonderen Anteil daran, daß die "Daseinsanalyse" sich als anerkannte therapeutische Richtung etablieren konnte.

Atheismusforscher Seit seiner Habilitation stand Wucherer-Huldenfeld aber vor allem auch in lebendiger Auseinandersetzung mit dem "Weltphänomen Atheismus". In seiner Beschäftigung mit den religionskritischen Konzeptionen (vor allem von Karl Marx und Sigmund Freud) hat er sich nie mit zu bloß formelhafter Auswendigkeit erstarrten Deutungsmustern begnügt. Seine diesbezüglichen philosophischen Analysen - immer auf polemisch-ideologische Besserwisserei sowie auf eine nicht weniger fragwürdige Vereinnahmung verzichtend - ließen nie Zweifel daran, daß eine produktive geistige Konfrontation ohne die genaue Analyse der geistesgeschichtlichen Herkunft sowie ohne eine unvoreingenommene Sondierung der zugrunde liegenden Motive nicht gelingen kann. Stets bleibt dabei sein Bestreben vernehmbar, die philosophisch-theologische Denk-Würdigkeit der Leitideen des neuzeitlichen Atheismus - insbesonders in deren humanistisch-emanzipatorischem Impetus - auch als unumgängliche intellektuelle Herausforderung für die christliche Gottesrede begreiflich zu machen. Die Kritik eines entstellten Gottes- und Menschenbildes bleibt auch, dies schärft Wucherer-Huldenfeld seinen Lesern und Hörern unermüdlich ein, die unumgängliche Voraussetzung für die religionsphilosophische Freilegung des "personal-dialogischen Ursprungsbodens des Glaubens".

Philosoph & Theologe Vor diesem Hintergrund ist schließlich das Bestreben Wucherer-Huldenfelds zu sehen, in seinen phänomenologischen Annäherungen die unauflösliche Einheit zwischen der anthropologischen Freilegung des "personal vollzogenen Wesen des Menschen" und dem "unverstellten Ursprung der Gottesfrage" als die grundlegend-unverzichtbare Aufgabe einer gegenwärtigen Philosophischen Theologie aufzuweisen. So öffnet sein philosophisches Grundthema "Ursprüngliche Erfahrung und personales Sein" wie von selbst einen Zugang zur philosophischen Theologie, die als christliche Philosophie auch den angemessenen Verständnishorizont zu entfalten hat für die "Grundwahrheit des Schöpfer-Geschöpfverhältnisses: Radikale Abhängigkeit von Gott ... wächst nicht in umgekehrtem, sondern in gleichem Maß mit einem wahrhaftigen Selbstand vor ihm."

In solchem Bemühen um eine Erneuerung philosophischer Theologie läßt Wucherer-Huldenfeld sich vornehmlich von der Überzeugung leiten, daß dies nur "post-atheistisch" und auch "metaphysik-kritisch" gelingen kann und so jene dem "personal-dialogischen Seinsdenken" aufgegebene Freilegung "ursprünglicher Erfahrung" schon voraussetzt.

Wer je Wucherer-Huldenfeld im - von eindringlicher Sprache geprägten und lebhafter Geste begleiteten - philosophischen Vortrag erlebt hat, weiß darum, wie sehr Kontemplation und lebendiges Engagement im Vollzug des Philosophierens verschmelzen können.

Der Autor ist als Professor für Christliche Philosophie Nachfolger von K. A. Wucherer-Huldenfeld an der Universität Wien.

Zur Person Augustinus Karl Wucherer-Huldenfeld wurde am 1. Juli 1929 in Gleinstätten/Stmk. geboren und studierte in Wien Philosophie, Psychologie und Ethnologie (Promotion 1954). 1956 trat er ins Waldviertler Prämonstratenserstift Geras ein und studierte Theologie in Innsbruck. Nach Kaplansjahren in Geras lehrte Wucherer-Huldenfeld an der Stiftshochschule Klosterneuburg Philosophie. Ab 1967 war er Assistent am neuerrichteten Institut für Atheismusforschung der Kath.-Theol. Fakultät in Wien (Habilitation 1973 bei Leo Gabriel). 1974-97 war Wucherer-Huldenfeld Professor für Christliche Philosophie an der Kath.-Theol. Fakultät der Universität Wien. Wucherer-Huldenfeld ist nicht nur als mitreißender akademischer Vortragender, sondern auch als scharfzüngiger Prediger in Wien/ St. Josef zu Margareten beliebt.

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