Der blauhaarige Schuhplattler

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Erster Tiroler Integrationsball. Zu den bekannten Klängen alpenländischer Musik zogen sie zur Eröffnung des Ballgeschehens ein: Frauen aus den Philippinen, Afrikanerinnen und Afrikaner, eine Mädchengruppe aus Anatolien, serbische Kinder in Tracht und die Gamskogler aus Ampass, Tirol. Buntheit, Verschiedenheit, bei manchen Befangenheit. Selbstbewußt die Tiroler Männer Frauen und Kinder. Mittendrin ein Jugendlicher mit blauen Haaren. halt so, wie Jugendliche die Haare manchmal haben: blau oder grün. Bei ihm war die Farbe leuchtend, sehr auffallend. Genauso auffallend wie die dunkle Hautfarbe der Afrikaner, genauso auffallend wie die asiatischen Gesichtszüge der philippinischen Frauen. Alle Gruppen stellten sich und ihr Land mit Tänzen vor. Die Tiroler tanzten unter anderem einen Schuhplattler. Der blauhaarige Teenager in diesem Kreis wirkte fremd, auf mich zumindest. Gesteigert wurde dieses Gefühl des Ungewohnten noch, als alle Gruppen zusammen sich zu Sambaklängen über die Tanzfläche bewegten.

Integration: ein Prinzip, das das Zusammenleben der Menschen in einem Land erleichtert. Für Christen eigentlich klar. "Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst." Wir wissen, das ist manchmal unheimlich schwer: Mein Nächster ist in den meisten Fällen so ganz anders als ich, daß er mich in Frage stellt, daß Fremdheitsgefühle auftauchen und Unsicherheit: Kann bei der Hautfarbe schwarz und weiß richtig sein? Kann bei der Religion katholisch, orthodox und evangelisch richtig sein, ja dürfen auch Juden und Moslems hier sein? Oder wird dadurch Einheit und damit auch Stärke in Frage gestellt? Kann man sich, zum Beispiel ein Tirol vorstellen, das sein Selbstbewußtsein nicht aus Selbstdarstellungen mit Schützenkompanien und Herz-Jesu-Feiern bezieht? Geht dadurch nicht Eigenart, Einheit und Stärke verloren und weicht einer Beliebigkeit, die austauschbar macht?

Zurück zu meinen Ballbeobachtungen: die Fremdheit, das Erstaunen über die ungewohnten blauen Haare wich bald der Freude über die Offenheit der Trachtengruppe.

Luise Müller ist Superintendentin der evangelischen Diözese Salzburg und Tirol.

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