Der permanente Ausnahmezustand

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Nach dem Rückblick auf 1968 wird in diesem Herbst auch noch das 60-jährige Jubiläum der UN-Menschenrechtserklärung vom Dezember 1948 absolviert werden müssen. Mit Staatsakten, Symposien und Themenschwerpunkten in den Medien bis hin zu Aktivitäten in den Schulen. Letztere, um der Jugend die Bedeutung dieses Dokumentes nahezubringen. Die historische jedenfalls. Die aktuelle und politisch-praktische Bedeutung für die Gegenwart wird schon schwerer zu zeigen sein. Denn allen Beteuerungen der Staatsmänner und -frauen, nichts mehr als den Menschenrechten zum Durchbruch verhelfen zu wollen, zum Trotz, wird in der aktuellen Politik nichts so rasch in den Hintergrund gedrängt wie die Menschenrechte.

Nicht, dass man sie für ungültig erklären würde. Es wird nur jeweils eine Art Ausnahmezustand ausgerufen, weil - zum allgemeinen Bedauern - eben momentan anderes vordringlicher sei. Wegen der Wichtigkeit der "wirtschaftlichen Beziehungen" mit China kann leider nicht auf der Achtung der Menschenrechte dort bestanden werden. Aus Gründen der nationalen Sicherheit müssen Grundrechte eingeschränkt werden. Wegen der von einem Landeshauptmann festgestellten Bedrohtheit seiner Landsleute durch für straffällig erklärte Asylwerber muss leider auf ein rechtlich geordnetes Vorgehen verzichtet werden usw.

Codices wie die Menschenrechte leiden nicht an einem Mangel an Einmütigkeit im Bekenntnis zu ihnen, sondern an einem Mangel an Prüfung der Inanspruchnahme von "Ausnahmezuständen" und an deren willfähriger Hinnahme. Auch das 60-Jahr-Jubiläum wird von "momentan" vordringlicheren Interessen und Prioritäten geprägt sein.

Der Autor ist Pfarrer in Probstdorf und Universitätsseelsorger.

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