Dialektik des Anblicks

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Nach zwei Tagen Fußwallfahrt mit Absolventen der Wirtschaftsuniversität nach Mariazell Messfeier am Gnadenaltar. Keine Wallfahrt der Völker. Ein kleines Grüppchen, müde und froh, angekommen zu sein. Unterwegs hatten wir gebetet, streckenweise geschwiegen und miteinander gesprochen. Über das Ziel des Lebens, über die christlichen Werte im Managementalltag und immer wieder auch über die Kirche.

Beim Hinweisen auf die Gnadenstatue fällt mir selbst mehr als früher die Dialektik des Anblicks auf. Mitten in der geradezu überladenen, barock-frommen Pracht und unter einem feinen Mäntelchen die bescheidene Holzstatue bzw. das, was man davon sehen kann. Wie ein Kontrapunkt zum gold-silbernen Rundherum. Zurückgenommen und im Hintergrund wie Maria im Evangelium: im Dienst an Jesus und seinem Evangelium. Das eigentliche Modell für Kirche.

Am selben Sonntag eine Kaiserseligsprechung - überlagert von Gerüchten rund um Ämterrochaden zwischen Männern, die so tun, als würde die Kirche ihnen gehören. Das Volk darf zuschauen und rätseln, wie früher bei Deals zwischen Herrscherhäusern. Und sonst schön brav Christentum verwirklichen, soweit es ihm nicht lehramtlich-kirchenrechtlich abgesprochen wird. Die österreichischen Bischöfe erlassen ein Hirtenwort, das beruhigen und ermuntern soll, und an dessen Ende sie um den Segen Gottes und die Fürsprache Marias bitten.

Was aber, wenn Maria, die "Frau aus dem Volke", wie sie ein beliebtes Lied nennt, nur für eine Kirche in der Einfachheit des Anfangs zu haben ist, zurückgestutzt auf den Dienst am Evangelium und an den Brüdern und Schwestern Jesu? "Unsere Liebe Frau von Mariazell", auf die sich das Bischofswort am Schluss bezieht, könnte auch für Reformen sein! Ganz gegen ihr Image. Siehe die Holzstatue unter dem feinen Tuch und prächtigen Silber.

Der Autor ist Universitätsseelsorger in Wien und Pfarrer.

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