Die Asche der Illusionen

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Die Asche fürs Aschenkreuz soll aus der Verbrennung der Palmzweige des vorigen Jahres genommen werden. Soweit das Brauchtum. Aber am Aschermittwoch geht es eigentlich um eine andere "Asche": um die Überreste und Rückstände der Wege und Lebensweisen, die von Illusionen und Ausblendungen der Realität geleitet und geprägt sind. Im Leben des Einzelnen wie auch im Zusammenleben oder im Leben einer Gesellschaft.

Das Jahr 2006 ist zwar noch nicht so alt, aber es hat schon kräftige Erschütterungen beliebter Illusionen gebracht. Begonnen hat es mit dem Nachgeschmack des Erdgaskrisenschocks am Endes des alten Jahres. Dann stand (steht?) plötzlich wieder die Atombombengefahr im Raum. Hinein mischt sich seit Wochen die Explosivität verletzter Empfindungen und lange aufgestauter Gefühle der Erniedrigung. Da hat dann das klägliche Scheitern der UNO bei einer wirksamen Bekämpfung des Noch-ärmer-Werdens der Armen dieser Erde oder auch bei der Etablierung einer ökologisch verantwortbaren Weltordnung kaum mehr Aufmerksamkeit erregt.

Irgendwie kommen wir mir wie aus großen Illusionen gerissen vor. Aus der Illusion etwa, auf Wohlergehen, Frieden, Sicherheit und Gesundheit quasi abonniert zu sein, und das bei so geringem eigenen Beitrag dazu wie möglich. Und ohne sich darum groß kümmern zu müssen, wo man doch ohnedies schon für das Finanzieren und Verbrauchen des eigenen Wohlstands zu wenig Zeit hat. Und jetzt das alles!

Die Asche für den Aschermittwoch 2006 stammte nicht nur aus den verbrannten Palmzweigen des Vorjahres, sondern auch aus den geplatzten Illusionen und gescheiterten Denkmustern der letzten Jahrzehnte. Beim Aschenkreuz wurde zur "Metanoia", zum Umdenken aufgerufen. Werden wir den Mut haben? Oder spielen wir lieber weiter Fasching?

Der Autor ist Pfarrer in Probstdorf und Universitätsseelsorger.

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