Die Befreiungsphilosophen kommen

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Ein neues Buch will zur "Befreiung aus der kapitalistischen Klemme" beitragen.

Die Befreiungstheologen in der katholischen Kirche haben sich immer wieder den Unmut römischer Glaubenshüter zugegezogen. Wie wird es einem, der ein Buch mit dem Titel "Befreiungsphilosophie des Geldes" geschrieben hat, in der Auseinandersetzung mit den Verfechtern des gegenwärtigen Kapitalsystems ergehen?

Alfred Racek, ausgebildeter Philosoph und Theologe, engagierter Religionslehrer und langjähriger Funktionär des Katholischen Familienverbandes der Erzdiözese Wien, greift mit dem Thema Geld ein äußerst heißes Eisen an. Wie sagte doch schon Oscar Wilde: "Als ich klein war, glaubte ich, Geld sei das Wichtigste im Leben. Heute, da ich alt bin, weiß ich: Es stimmt."

Statt der heute vielfach dominierenden Frage, wie man Geld vermehrt, stellt Racek Grundsatzfragen: Was ist Geld? Was ist seine Funktion, sein Zweck? Ist es gerecht verteilt? Letztlich steht ja die Frage der sozialen Gerechtigkeit hinter allen Überlegungen in Sachen Geld: Stimmt es, dass die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer - oder immer zahlreicher - werden? Kann es gerecht sein, wenn jemand der viel Geld besitzt, es durch geschicktes Anlegen spielend vermehrt, während einer, der keines besitzt, allein durch seiner Hände Arbeit schwerlich zu einem Vermögen kommen kann.

Racek stellt Goethe (Mephistos Papiergeld-"Projekt" im "Faust") und Hegel an den Beginn seiner Ausführungen. Er scheut sich nicht, die biblische und die Marxsche Kritik am Götzen Mammon in einem Atemzug zu nennen. Bei Papst Johannes Paul II., der sicher kein Kommunist ist, zeigt er dessen deutliche Distanz zum heutigen Kapitalismus auf. Schließlich führt Racek zu Aristoteles zurück, der bereits zwischen Chrematistik als einer Bereicherungskunst und Ökonomik als einem dem Leben und seiner Entfaltung dienenden Geldgebrauch unterschied.

Das einstige kirchliche Zinsverbot und Versuche mit Alternativgeld sind Angelpunkte in Raceks weiteren Überlegungen. Vom mittelalterlichen Weg der Brakteaten über das so genannte Wörgler Experiment (Fälle, wo Geld in relativ kurzer Zeit seinen Wert einbüßte und daher nicht gehortet, sondern ausgegeben wurde) bis zu Formen modernen Tauschhandels (wie sie etwa die Vereinigung "WIR" in der Schweiz mit einem "Komplementärgeld" versucht) streift er die Geschichte des Geldes. Wichtige Anregungen für seine Zukunftsvision von einem dienenden statt einem herrschenden Geld holte sich Racek auch bei Silvio Gesell, beim Ex-Jesuiten Johannes Kleinhappl, vor allem aber bei John Maynard Keynes.

Der Befreiungsphilosoph des Geldes erspart seinen Lesern freilich nicht die Mühe, sich sehr intensiv mit der Thematik zu befassen. Nur dann sind alle Inhalte, vor allem jene gegen Ende des Buches, für Laien einigermaßen zu verstehen. Sein Werk, das ein Vorwort des St. Gallener Wirtschaftswissenschafters Hans Georg Binswanger einleitet, liefert keine Patentrezepte zur "Befreiung aus der kapitalistischen Klemme" (Racek), aber reichlich Zündstoff für Debatten, die angesichts wachsender sozialer Ungleichheiten zunehmen werden.

Wie sehr das Thema unter den Nägeln brennt, beweist unter anderem die Tatsache, dass es am 15. Jänner auf dem Programm der Philosophicum-Diskussion innerhalb der ORF-Sendung Kreuz und quer steht.

BEFREIUNGSPHILOSOPHIE DES GELDES. Von Alfred Racek. Druck- und Verlagshaus Thaur, Thaur 2001, 268 Seiten, broschiert, e 21,65/öS 298,-

TV-Tipp

GELD ALS GOTT UNSERER ZEIT: allmächtig, allgegenwärtig, gerecht?

mit Gunnar Heinsohn/Bremen, Alfred Racek/Wien u.a.

kreuz + quer - Philosophicum

Dienstag, 15. Jänner 2002, 23.05 Uhr, ORF 2

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