Die Psalmen der Sklavenhändler

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Bis heute hat Ghana wie andere afrikanische Länder auch unter dem Einfluss Europas zu leiden. Für die Delegation der Evangelischen Kirche in Österreich, die im August ihre Partnerkirche, die Presbyterian Church of Ghana, besuchte, war das auf Schritt und Tritt unübersehbar. Neben den Folgen des Kolonialismus ist die schlimmste Last der Vergangenheit die des jahrhundertelangen Sklavenhandels.

Die Küste Ghanas ist gesäumt von den Sklavenburgen, die von den Europäern gebaut wurden. Die Führungen durch diejenigen Burgen, die als Museen zu besichtigen sind, offenbaren das schreckliche Schicksal, das hier Millionen Menschen bereitet wurde. In Elmina zum Beispiel waren zuerst die Portugiesen, dann kamen die Holländer. Sie bauten in die Burg eine Kirche ein. Die Kirche liegt direkt über dem Saal, in dem die Sklaven den Händlern zum Kauf angeboten wurden und nur zwei Stockwerke über jenen Kellerverließen, in denen die Unglücklichen in absoluter Dunkelheit auf ihre Überfuhr warten mussten. Über die Tür zur Kirche platzierten die Holländer ein Wort aus dem 131. Psalm, Vers 14. Es lautet (nach Luther): "Dies ist die Stätte meiner Ruhe ewiglich, hier will ich wohnen, denn das gefällt mir."

Was haben sich die holländischen Protestanten dabei gedacht? Waren sie sich dessen bewusst, auf wie zynische Art hier ein Wort der Heiligen Schrift missbräuchlich verwendet wird? Wahrscheinlich haben sie in bestem Wissen und Gewissen unter diesem Wort ihre Gottesdienste gefeiert - über all dem Elend, das sie verursachten.

Ich frage mich, wo Christinnen und Christen heute über schrecklichen Kellern und Verließen die Bibel zitieren und den Widerspruch gar nicht merken? Verliert nicht das Wort der Schrift jegliche Wahrheit, wenn es ein Sklavenhändler in den Mund nimmt?

Der Autor ist Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche A.B.

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