Leere Kirche - © Foto: iStock / Leo Malsam

„Die Zeit der leeren Kirchen“: Ein prophetisches Warnzeichen

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„Die Zeit der leeren Kirchen“: Der Buchtitel von Tomáš Halíks Predigtsammlung aus der ersten Zeit der Pandemie sagt bereits alles über ein Christentum, das umkehren muss, wenn es nicht verschwinden will.

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„Die Zeit der leeren Kirchen“: Der Buchtitel von Tomáš Halíks Predigtsammlung aus der ersten Zeit der Pandemie sagt bereits alles über ein Christentum, das umkehren muss, wenn es nicht verschwinden will.

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Es gibt Bücher, bei denen schon das Vorwort den wichtigsten Teil darstellt. Das gilt ganz besonders für Tomáš Halíks Sammlung von Predigten aus dem ersten CoronaLockdown 2020, die der Herder-Verlag unter dem Titel „Die Zeit der leeren Kirchen“ herausgebracht hat. Halík, im ČSSR-Untergrund geweihter Priester, nach der Wende Professor für Soziologie sowie Pfarrer der Akademischen Gemeinde Prag, ist einer der wichtigsten katholischen Zeitdiagnos­tiker Europas . Und er stellt auch für seine Kirche eine unbequeme Stimme dar, denn er nimmt sich ihr gegenüber gleichermaßen kein Blatt vor den Mund.

Genau dessen – Zeitdiagnostik und Schonungslosigkeit – befleißigt sich Halík in diesem Vorwort, das einen Essay über das Chris­tentum im pandemiegeplagten Europa darstellt. Und die Auspizien stehen nicht gut: Denn viele Kirchen in Europa standen schon vor der Pandemie leer, und nun wurden auch den bislang noch vollen die Gläubigen genommen. Halík unternimmt in diesem Essay einen Parforceritt durch die Säkularisierung in den postkommunistischen Staaten – das mag für einen aus der Westhälfte des Kontinents auf den ersten Blick weniger relevant scheinen; tatsächlich ist die geistige und geistliche Herausforderung – ob in West, Ost oder Süd – im Prinzip die gleiche. Zurückgeworfen auf die Initiative Einzelner, oft auch nicht kirchlich Gebundener, ortet Halík in seiner Gesellschaft eine neue Dimension des Religiösen, das in der vorgeblich „atheis­tischen“ Gesellschaft Tschechiens erstaunt.

Keine übertragenen Eucharistiefeiern

Dazu kommt die Entscheidung Halíks und seiner Pfarrgemeinde, den Lockdown gerade nicht mit gestreamten Messübertragungen zu überstehen: Er versteht die erzwungene Leere in den Kirchen als eine Zeit des „eucharistischen Fastens“, das im Geist der Buße anzunehmen sei – und es sind radikale Beispiele, die Halík anführt, wofür Buße zu tun ist: ob der Spaltung der Christen, als Ausdruck der Solidarität mit jenen Christen in „so genannten nicht regulären Situationen“. Halík spricht da explizit die wiederverheirateten Geschiedenen an.

Man kann dieses ernste Unterfangen nicht hoch genug einschätzen – gerade ob der Tatsache, dass weithin mit Gottesdienstübertragungen versucht wurde, die Eucharistie, die von ihrem Wesen her über Bildschirme nur sehr defizient vermittelt werden kann, irgendwie doch unter die Leute zu bringen. Es ist nur konsequent, wenn Halík im Einleitungsessay als besonderes Symbol auf den Segen des Papstes, den ­dieser mutterseelenallein auf dem riesigen leeren Petersplatz am Vorabend der Karwoche 2020 spendete, hinweist.

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